In § 174 Abs. 4 Satz 5 ZPO-E ist vorgesehen, dass bei der Zustellung grundsätzlich ein strukturierter Datensatz zur Verfügung gestellt werden soll, welcher dann zu nutzen ist. Andernfalls ist das elektronische Empfangsbekenntnis abweichend von Satz 4 als elektronisches Dokument (§ 130a) zu übermitteln. Begründet wird dies mit "technischen Schwierigkeiten", den strukturierten Datensatz zu Verfügung zu stellen.
Der DAV lehnt diese beabsichtigte Änderung ab. Es ist nicht erforderlich, die bestehenden Regelungen über Zustellungen gegen Empfangsbekenntnis oder elektronisches Empfangsbekenntnis zu ändern. Es sollte dabei bleiben, dass bei der elektronischen Kommunikation mit den Gerichten bei Zustellungen, die elektronisch bewirkt werden, ein elektronisches Empfangsbekenntnis angefordert und von den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten abgegeben wird. Schließlich hat der Gesetzgeber selbst zuletzt wiederholt die Vermeidung des Medienbruchs als vorrangiges Ziel im elektronischen Rechtsverkehr definiert.
Die vorgesehene Änderung des Zustellungsrechts bedeutet andernfalls, dass es in das Belieben der Gerichte gestellt wird, ob ein elektronisches Empfangsbekenntnis angefordert, also ein strukturierter Datensatz zu Verfügung gestellt wird, oder schlussendlich, wie bisher, ein "Papier-Empfangsbekenntnis" der gerichtlichen Zustellung hinzugefügt wird, das dann aber als elektronisches Dokument nach § 130a ZPO zurückzuschicken sein soll. Arbeitsabläufe, die nunmehr nach der Etablierung des elektronischen Rechtsverkehrs eingeübt sind, müssen in der anwaltlichen Praxis wieder geändert werden. Wird ein Empfangsbekenntnis übermittelt, das dann als elektronisches Dokument zurückzuschicken ist, muss das von den Gerichten zur Verfügung gestellte Dokument, wohl in einem pdf-Format, zunächst mit dem Zugangsdatum versehen werden. Hierzu muss das Dokument
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entweder ausgedruckt, um das Datum ergänzt, wieder elektronisch erfasst werden oder |
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elektronisch mit einer Software, die nicht zur Standardausstattung der Kanzleien gehören muss, bearbeitet werden, |
um es dann,
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entweder über das beA des Rechtsanwalts oder der Rechtsanwältin zurückzuschicken oder |
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es vor dem Zurückschicken qualifiziert elektronisch zu signieren. |
Etabliert hat sich demgegenüber eine Bearbeitungsweise, bei der entweder über den Webclient des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs oder in der Anwaltssoftware das elektronische Empfangsbekenntnis elektronisch bearbeitet und versandt wird. Neben dieser aufwändigen Bearbeitungsweise birgt diese der Anwaltschaft angesonnene "neue" Bearbeitungsweise zusätzliche Haftungsrisiken, da ohne Not unübersichtliche Handlungsalternativen geschaffen werden.
Die in der Begründung des Referentenentwurfs genannten "technischen Schwierigkeiten" verbrämen den tatsächlichen Hintergrund des Vorschlags. Es ist offensichtlich so, dass es Fachanwendungen gibt, die insbesondere bei den Zivilgerichten einzelner Bundesländer zum Einsatz kommen, die weder die erforderlichen strukturierten Datensätze zu Verfügung stellen, noch eingehende elektronische Empfangsbekenntnisse bearbeiten können. Demgegenüber gibt es, insbesondere in den Fachgerichtsbarkeiten, zur Anwendung kommende Software, die ohne nennenswerten Aufwand den gesetzlichen Vorgaben entspricht.
Der DAV erwartet, dass solche technischen Probleme durch Änderungen der gerichtlichen Fachsoftware gelöst werden und nicht Anlass für eine Gesetzesänderung sind. Der für die Änderungen der Software scheinbar notwendige Druck auf die Software-Entwickler entfällt dauerhaft, wenn nunmehr Lösungen geschaffen werden, die als vermeintliche elektronische Kommunikation – Rücksendung als elektronisches Dokument – jedoch nicht die mit den elektronischen Empfangsbekenntnissen verbundenen Vorteile – automatische Weiterverarbeitung bei den Gerichten und bei den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten – bieten. Was für die Anwaltschaft über § 174 Abs. 4 Satz 4 ZPO i.V.m. § 31a Abs. 6 BRAO sogar berufsrechtlich verpflichtend ist, darf für die Justiz nicht beliebig werden.
Die vorgesehene Änderung des Zustellrechts wegen vermeintlicher technischer Schwierigkeiten stellt schließlich ein falsches Signal für die von dem DAV gewollte Einführung der verbindlichen elektronischen Kommunikation mit den Gerichten dar.
DAV-Stellungnahme Nr.: 25/2019, Berlin, im Juli 2019
FF 9/2019, S. 340 - 343