FF 09/2021, Die Änderungen im Familienrecht durch das Ko ... / III. Anrechnung mehrerer Geschäftsgebühren

In der Praxis stellt sich oft das Problem, dass der Anwalt außergerichtlich hinsichtlich verschiedener Angelegenheiten tätig war und damit mehrere Geschäftsgebühren verdient hat, es dann aber nur zu einem gerichtlichen Verfahren kommt, so dass mehrere Geschäftsgebühren auf eine Verfahrensgebühr anzurechnen sind. Solche Konstellationen kommen häufig im Scheidungsverbundverfahren vor. Ungeachtet der Entscheidung des BGH vom 29.10.2020^[1] können außergerichtlich hinsichtlich der einzelnen Familiensachen durchaus verschiedene Angelegenheiten vorliegen, so dass mehrere Geschäftsgebühren anfallen. Kommt es dann zu einem Scheidungsverbundverfahren und werden diese Familiensachen als Folgesachen dem Verbund hinzugeschlagen, fällt aber nur eine einzige Verfahrensgebühr an. Es stellt sich dann die Frage, wie mehrere Geschäftsgebühren aus Teilwerten auf eine Geschäftsgebühr aus dem Gesamtwert anzurechnen sind.

Beispiel 2: Der Anwalt war außergerichtlich jeweils gesondert tätig hinsichtlich des Zugewinns (Wert 30.000 EUR), der Regelung der Ehewohnung für die Zeit nach der Scheidung (4.000 EUR) sowie des nachehelichen Unterhalts (7.200 EUR). Anschließend kam es zur Scheidung (Ehesache 9.000 EUR, Versorgungsausgleich 1.800 EUR), bei der Zugewinn, Ehewohnung und Unterhalt als Folgesache anhängig gemacht wurden.

Außergerichtlich war wie folgt abzurechnen:

I. Zugewinn (Wert: 30.000 EUR)

1.	1,8-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG		1.719,00 EUR
2.	Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG		20,00 EUR
	Zwischensumme	1.739,00 EUR
3.	19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG		330,41 EUR
	Gesamt		2.069,41 EUR

II. Ehewohnung (Wert: 4.000 EUR)

1.	1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG		361,40 EUR
2.	Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG		20,00 EUR
	Zwischensumme	381,40 EUR
3.	19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG		72,47 EUR
	Gesamt		453,87 EUR

III. Unterhalt (Wert: 7.200 EUR)

1.	1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG		753,00 EUR
2.	Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG		20,00 EUR
	Zwischensumme	773,00 EUR
3.	19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG		146,87 EUR
	Gesamt		919,87 EUR

Abzurechnen ist im Verbundverfahren jetzt wie folgt:

IV. Verbundverfahren

1.	1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 52.000 EUR)		1.784,90 EUR
2.	gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG anzurechnen
	- 0,75 aus 30.000 EUR	-716,25 EUR
	- 0,65 aus 4.000 EUR	-180,70 EUR
	- 0,75 aus 7.200 EUR	-376,25 EUR
	gem. § 15a Abs. 2 RVG nicht mehr als 0,75 aus 41.200 EUR		-898,50 EUR
3.	1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 52.000 EUR)		1.647,60 EUR
4.	Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG		20,00 EUR
	Zwischensumme	2.554,00 EUR
5.	19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG		485,26 EUR
	Gesamt		3.039,26 EUR

Die gleiche Konstellation kann sich auch dann ergeben, wenn die außergerichtlichen Tätigkeiten nicht als Folgesachen anhängig werden, aber in einem Folgenvergleich mitverglichen werden. Dann entsteht im gerichtlichen Verfahren auch eine Verfahrensgebühr, allerdings nur zu einem Gebührensatz von 0,8 (Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG). Auch in diesem Fall sieht § 15a Abs. 2 RVG eine Kürzung vor. Hier ist allerdings noch zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Gebührenanrechnung vor der Kürzung nach § 15 Abs. 3 RVG vorzunehmen ist.^[2]

Beispiel 3: Wie vorheriges Beispiel. Zugewinn, Ehewohnung und Unterhalt werden nicht anhängig, sondern in einem Folgenvergleich mitverglichen.

Im Verbund ist jetzt wie folgt zu rechnen:

1.	1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 10.800 EUR)		865,80 EUR
2.	1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 41.200 EUR)		1.557,40 EUR
3.	gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG anzurechnen
	- 0,75 aus 30.000 EUR	-716,25 EUR
	- 0,65 aus 4.000 EUR	-180,70 EUR
	- 0,75 aus 7.200 EUR	-376,50 EUR
	gem. § 15a Abs. 2 RVG nicht mehr als 0,75 aus 41.200 EUR		-898,50 EUR
4.	die Grenze des § 15 Abs. 3 RVG, 1,3 aus 52.000 EUR (1.784,90) ist nicht überschritten
5.	1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 52.000 EUR)		1.647,60 EUR
6.	Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG		20,00 EUR
	Zwischensumme	3.192,30 EUR
7.	19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG		606,54 EUR
	Gesamt		3.798,84 EUR

[1] FF 2021, 41 = AnwBl 2021, 47 = AGS 2021, 262.

[2] OLG Stuttgart AGS 2009, 56 = JurBüro 2009, 246; OLG Karlsruhe AGS 2011, 165; OLG München AGS 2012, 231 = NJW-RR 2012, 767.