Wesentlich reformiert wurde Art. 1520 gr. ZGB über das Umgangsrecht des Elternteils, mit dem das Kind nicht zusammenlebt. Bis dem Inkrafttreten des Gesetzes 4800/2021 galt, dass das Gericht das Umgangsrecht des Elternteils, mit dem das Kind nicht zusammenlebt, regelt. Unter dem früheren Recht wurde häufig das Umgangsrecht in dieser Weise vom Gericht geregelt, sodass das Kind entsprechend seines Alters und anderer Faktoren (wie z.B. des Schulprogramms, der Beziehungen des Kindes zu dem anderen Elternteil und seinen Verwanden, des Abstands zwischen der Wohnung beider Eltern usw.) jedes zweite Wochenende, eine Woche während der Winterferien, eine Woche während der Frühlingsferien und zwei Wochen während der Sommerferien bei dem anderen Elternteil verbringen sollte. Der Letztere durfte auch in der Regel einmal pro Tag das Kind anrufen und eventuell einen Nachmittag und Abend pro Woche nach der Schule mit dem Kind verbringen.
Diesen mechanischen Ansatz der Gerichte bzgl. des Umgangsrechts wollte der Gesetzgeber ändern. Unter der neuen und besonders komplizierten Vorschrift des Art. 1520 Abs. 1 gr. ZGB hat der Elternteil, mit dem das Kind nicht zusammenlebt, das Recht und die Pflicht des soweit wie möglich größeren Umgangs mit dem Kind. Das Umgangsrecht schließt den persönlichen Kontakt zum Kind und seinen Aufenthalt in der Wohnung des/der Umgangsberechtigten ein. Der Elternteil, mit dem das Kind zusammenlebt, ist verpflichtet, den Umgang des berechtigten Elternteils mit dem Kind zu erleichtern und zu fördern. Die Umgangszeit des Kindes mit dem/der Umgangsberechtigte/n, die durch persönlichen Kontakt stattfindet, wird auf ein Drittel (1/3) der Gesamtzeit des Kindes festgelegt, es sei denn, der/die Umgangsberechtigte beantragt eine kürzere Umgangszeit. Die Umgangszeit kann gerichtlich verlängert oder verkürzt werden, wenn eine zeitliche Verlängerung oder Begrenzung des Umgangs im Hinblick auf das Kindeswohl und die Lebensbedingungen des Kindes erforderlich ist, solange der Alltag des Kindes nicht gestört wird. Der Ausschluss oder die Begrenzung des Umgangsrechts ist nur aus besonders wichtigen Gründen erlaubt, insbesondere, wenn der Umgangsberechtigte ungeeignet für die Ausübung des Umgangsrechts ist. Die Ungeeignetheit wird durch ein vom Gericht beauftragtes Gutachten von einem Psychiater, Psychologen oder Sozialberater beurteilt.
Die neue Vorschrift des Art. 1520 Abs. 1 gr. ZGB verursacht viele Auslegungsprobleme, die im Rahmen dieses Aufsatzes nicht gelöst werden können. Die Hauptprobleme sind zusammengefasst folgende:
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Welcher ist der Sinn der Vermutung in Art. 1520 Abs. 1 gr. ZGB, wenn es nicht um eine Beweislastverteilungsregel geht? |
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Ist die Aufenthaltszeit des Kindes in der Wohnung des Umgangsberechtigten in die vermutete Umgangszeit (1/3 der Gesamtzeit) mitgerechnet? |
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Wie kann die Gesamtzeit des Kindes berechnet werden? |
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Sollen die Schulzeit, die Schlafenszeit und die Zeit für außerschulische Aktivitäten von der Gesamtzeit abgezogen werden? |
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Darf das Gericht das Umgangsrecht zeitlich nur im Falle der Ungeeignetheit des Umgangsberechtigten begrenzen oder auch dann, wenn die Lebensbedingungen des Kindes ein zeitlich geringeres Umgangsrecht ermöglichen? |
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Gibt es einen Unterschied zwischen einer verlängerten Umgangszeit, etwa um ½ der Gesamtzeit und einem abwechselnden Aufenthalt des Kindes? |
Mit den o.g. Problemen, die in der Literatur unterschiedlich thematisiert werden, werden sich bestimmt die griechischen Gerichte beschäftigen. Allerdings besteht Einigkeit, dass das Gericht als ausschließliches Kriterium für die Regelung der Umgangszeit das Kindeswohl berücksichtigen und es im Einzelfall konkretisieren muss. Eine vertretbare Meinung spricht dafür, dass die in Art. 1520 gr. ZGB normierte Vermutung dem gesetzlichen Grundgedanken entspricht, dass das Kindeswohl verwirklicht wird, wenn das Kind 1/3 seiner Gesamtzeit mit dem Umgangsberechtigten verbringt. Diese Vermutung sei selbstverständlich widerlegbar, weil die Vorschrift eine zeitlich längere oder kürzere Umgangszeit erlaubt.