1. Musterformular
Eine außergerichtlich zu erteilende Vollmacht kann dem jeweils anderen Elternteil etwa in folgender Form zur Unterzeichnung vorgelegt werden:
Vollmacht zum Sorgerecht
Vollmachtgeber: … , … straße, … stadt
– Vater –
Bevollmächtigte: … , … straße, … stadt
– Mutter –
Betroffene Kinder:
… , geb. am …
… , geb. am …
Ich, der Vollmachtgeber, Herr … , lebe von meiner Frau, der Kindesmutter, Frau … , seit … getrennt. Unsere Kinder leben mit meinem Einverständnis im Haushalt meiner getrenntlebenden Ehefrau.
Ich möchte meine Ehefrau bevollmächtigen, wichtige Entscheidungen betreffend unsere Kinder … und … alleine zu treffen.
Konkret soll sie berechtigt sein, insbesondere zu entscheiden über
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Klassenreisen und/oder Schul- bzw. Kindergartenausflüge |
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Urlaube im In- und Ausland |
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die medizinische Versorgung des Kindes / der Kinder |
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An- und Ummeldungen zum Schulbesuch sowie alle weiteren Schulangelegenheiten |
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alle Arten von Behördengängen |
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die Beantragung von Personalausweisen / Reisepässen |
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polizeiliche An- und Ummeldungen |
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Antragstellung zu Jugendhilfemaßnahmen |
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Angelegenheiten der Vermögenssorge |
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das Recht der Aufenthaltsbestimmung. |
Die Vollmacht ist ab sofort gültig und gilt bis auf Widerruf.
… stadt, den …
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… – Vollmachtgeber –
2. Zeitpunkt der Vollmachtserteilung
In seiner Entscheidung vom 29.4.2020 hat der BGH klargestellt, dass eine Vollmachtserteilung durch das Familiengericht weder ausgesprochen noch angeordnet werden kann. Um eine Sorgerechtsübertragung entbehrlich zu machen, muss die Vollmachtserteilung daher spätestens zu dem für die Entscheidung über einen Sorgerechtsantrag maßgeblichen Zeitpunkt vorliegen.
Die Erteilung einer Sorgerechtsvollmacht sollte daher in der geführten außergerichtlichen Korrespondenz möglichst frühzeitig thematisiert und bei dem anderen Elternteil unter Fristsetzung zur Vorlage angefordert werden, so dass sich ggf. auch ein familiengerichtliches Verfahren erübrigen kann.
3. Kooperationsfähigkeit- und -bereitschaft der Eltern
Es bedarf jeweils der Einzelfallprüfung, ob die – ggf. bereits außergerichtlich erteilte – Vollmacht in der praktischen Umsetzung ausreichend ist zur verlässlichen Wahrnehmung der Kindesbelange. Dies beurteilt sich nach den für die Prüfung einer Sorgerechtsübertragung nach § 1671 BGB maßgeblichen Kriterien.
Die notwendige Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft der Eltern besteht allerdings nicht mehr, wenn zwischen ihnen eine sachliche Kommunikation nicht möglich ist und Absprachen nicht getroffen werden können oder mit Blick auf die vergangene Entwicklung eine begründete Besorgnis dazu besteht, dass die Eltern auch künftig nicht in der Lage sein werden, ohne gerichtliche Auseinandersetzungen Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge konstruktiv beizulegen.
Von dem die Vollmacht erteilenden Elternteil wird auf vorgelagerter Ebene aber auch erwartet, dass er notwendige Mitwirkungshandlungen auf Anforderung leistet, wenn sich die erteilte Vollmacht in verschiedenen Angelegenheiten tatsächlich als nicht ausreichend erweist. Eine solche ergänzende Mitwirkungsnotwendigkeit kann sich beispielhaft bei behördlich ergänzend angeforderten Dokumenten oder Erklärungen zu oder von der Person des die Vollmacht erteilenden Elternteils ergeben. Verweigert ein Elternteil in dieser Konstellation die notwendige Mitwirkung, obgleich bereits die zeitliche Verzögerung im Widerspruch zum Kindeswohl stehen kann, so kann dies der notwendigen Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit entgegenstehen und – trotz bestehender Vollmachtserteilung – die gerichtliche Sorgerechtsregelung begründen
4. Widerruf der Vollmacht
Die Vollmachtserteilung lässt die bestehende gemeinsame elterliche Sorge sowie die hieraus folgenden Befugnisse und Pflichten des die Vollmacht erteilenden Elternteils unberührt. Dies betrifft sowohl die Entscheidungsbefugnis zu Alltagsangelegenheiten – etwa während des Aufenthalts des Kindes im Haushalt des vollmachterteilenden Elternteils – als auch Auskunftsrechte und insbesondere Kontrollbefugnisse. Zwar darf durch Ausübung der verbleibenden Kontrollbefugnisse die Umsetzung der erteilten Vollmacht nicht konterkariert werden, doch ist der vollmachtgebende Elternteil zur Prüfung berechtigt und verpflichtet, ob die von ihm erteilte Vollmacht möglicherweise missbräuchlich genutzt wird. Bejahendenfalls kann er gehalten sein, die Vollmacht zu widerrufen, wobei der Widerruf auch konkludent in Betracht kommt, etwa in der Form negativer Äußerungen oder Angriffe gegen die Person bzw. Erziehungsfähigkeit des bevollmächtigten Elternteils. Für die Wirksamkeit der Vollmachtserteilung ist es unerheblich, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie künftig widerrufen werden könnte.
Autor: Monika Clausius, Rechtsanwältin und F...