1. Eine Verletzung des Elternrechts kommt sowohl im Hinblick auf Anforderungen an die Schaffung einer möglichst zuverlässigen Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung in Betracht als auch im Hinblick auf die Begründungsanforderungen an das Fachgericht, wenn es in seiner Entscheidung der Einschätzung von Sachverständigen oder von beteiligten Fachkräften (insbesondere Verfahrensbeistand, Jugendamt, Familienhilfe, Vormund) nicht folgt.

2. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist in Sorgerechtsstreitigkeiten die nach § 32 Abs. 1 BVerfGG gebotene Folgenabwägung vorrangig am Kindeswohl zu orientieren.

3. Die erhebliche Belastung der Kinder durch eine dritte Vollstreckung in der Sache mit den zu erwartenden Modalitäten des Vollzugs (Vollstreckung durch den Gerichtsvollzieher unter Hinzuziehung von Jugendamt und Polizeivollzugskräften) gegen den erklärten Willen der Kinder wiegt schwerer als eine mögliche Beeinträchtigung des Kindeswohls wegen der vom Gericht – wohl abweichend von der aktuellen Einschätzung des Verfahrensbeistandes und derjenigen einer in einem früheren Verfahren beauftragten Sachverständigen – in Zweifel gezogenen Erziehungsfähigkeit der Mutter und eine weitere Entfremdung vom Vater, wenn mit dem vorläufigen Verbleib bei der Mutter keine Kindeswohlgefährdung verbunden ist.

(red. LS)

BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des Ersten Senats v. 15.6.2023 – 1 BvR 1076/23 (OLG Köln, AG Köln)

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