Der X. Zivilsenat des BGH, der für Streitigkeiten aus dem Bereich des Schenkungsrechts zuständig ist, soweit es sich nicht um Schenkungen mit Bezügen zu getrennten oder geschiedenen Ehegatten oder getrennten Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft handelt, hat sich in seiner Entscheidung vom 16.4.2024 mit einer klassischen Fallkonstellation des Schenkungsrückforderungsanspruchs wegen Verarmung des Schenkers gem. § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB befasst. Um alle relevanten Details des zugrundeliegenden Sachverhalts in die Würdigung der Entscheidung mit einbeziehen zu können, lohnt es sich, auch die Berufungsentscheidung der Vorinstanz, des OLG München vom 21.1.2023 (8 U 2430/22), mit in den Blick zu nehmen und insbesondere auf die genaue Datenlage zu achten:
Kläger ist der für die Mutter des Beklagten zuständig gewesene Sozialhilfeträger, der den vermeintlichen Rückforderungsanspruch der Mutter gegen ihren Sohn am 4.3.2020 auf sich übergeleitet hat. Die Mutter hatte ihrem Sohn am 19.9.2011 ein Bankkonto mit einem Guthaben von 20.494,59 EUR schenkweise übertragen. Zu diesem Konto hatte der Beklagte bereits seit 2003 Kontovollmacht. Die Mutter ist am 30.10.2018 verstorben. Der Kläger hatte für die Mutter ab 27.2.2018 Leistungen nach § 14 APG NRW (Pflegewohngeld) und nach §§ 61 ff. SGB XII in Höhe von insgesamt 6.811,74 EUR erbracht. Beide Leistungen sind abhängig vom vorrangig einzusetzenden Vermögen und Einkommen des Hilfebedürftigen, so dass die Mutter ihren Schenkungsrückforderungsanspruch verwerten musste.
Der Beklagte hat die Notbedarfseinrede gem. § 529 Abs. 2 BGB und die Einrede der Entreicherung gem. § 818 Abs. 3 BGB erhoben. Er verfügt über ein monatliches Nettoeinkommen von rd. 2.800 EUR und über Barvermögen in Höhe von 36.500 EUR.
Die Vorinstanzen haben die Notbedarfseinrede des Beklagten durchgreifen lassen und sich dabei auf das zum 1.1.2020 in Kraft getretene sog. Angehörigenentlastungsgesetz bezogen. Gem. § 94 Abs. 1a SGB XII ist danach ein Unterhaltsregress gegen die volljährigen Kinder ausgeschlossen, wenn deren steuerpflichtiges Bruttoeinkommen 100.000 EUR im Jahr nicht übersteigt. Wendet man diesen Verschonungsgedanken des Gesetzes sowie die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung an, die besagt, dass der Unterhaltsbedarf des Beschenkten nach den Grundsätzen des Elternunterhalts zu bemessen sei, so sind die Argumente sowohl des Landgerichts als auch des Oberlandesgerichts nachvollziehbar. Danach könne das geschenkte Geld aus dem Vermögen nicht zurückgefordert werden, weil es deutlich hinter dem Betrag zurückbleibt, der dem Beklagten als (fiktives) Altersvorsorge-Schonvermögen in Höhe von 135.000 EUR zuzubilligen sei. Aus seinem Einkommen könne er nicht zur Rückzahlung des Geschenkten herangezogen werden, weil dann sein angemessener Selbstbehalt, den das OLG München mit 5.000 EUR beziffert, nicht mehr gewahrt wäre.
Diesen Weg ist der BGH nicht mitgegangen:
Zeitliche Aspekte der Inanspruchnahme
Die Überleitung des Rückforderungsanspruchs erfolgte erst, nachdem die Mutter als Anspruchsinhaberin schon verstorben war. Dass auch nach dem Tod des Anspruchsberechtigten eine Überleitung rechtlich noch möglich ist, hat der BGH bereits 1995 entschieden, worauf der X. Zivilsenat auch Bezug nimmt.
Auch war die Zehnjahresfrist des § 529 Abs. 1 2. Alt. BGB noch nicht abgelaufen, weil die Erteilung einer Kontovollmacht noch keine Schenkung des Kontoguthabens darstellt.
Man könnte aber die Frage stellen, für welche Zeit bzw. welchen Zeitraum die Frage der Überschreitung des angemessenen Bedarfs des Beschenkten zu prüfen ist. Beurteilt sich dies nach dem Zeitpunkt der Entstehung des Rückforderungsanspruchs, also des Eintritts der Verarmung des Schenkers? Kommt es auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz an? Wie wäre es zu beurteilen, wenn der Beschenkte im Zeitpunkt der Überleitung noch leistungsfähig ohne Beeinträchtigung seines Bedarfs gewesen wäre, zur Zeit seiner gerichtlichen Inanspruchnahme aber nicht mehr?
Da es sich um eine rechtshemmende Einrede handelt, so dass bei positiver Veränderung der Einkommens- und/oder Vermögenslage zu einem späteren Zeitpunkt die Einrede nicht mehr erhoben werden könnte bzw. die bereits erhobene Einrede dann wegfallen könnte, gilt möglicherweise umgekehrt, dass die Einrede noch erhoben werden kann, wenn sich die Einkommens- und Vermögenslage verschlechtert und der Anspruch, der zunächst erfüllbar gewesen wäre, bisher nicht erfüllt worden ist.
Dem käme im vorliegenden Fall durchaus Bedeutung zu, denn der Beklagte wäre 2018, zum Zeitpunkt des Eintritts der Bedürftigkeit seiner Mutter, möglicherweise noch ohne Beeinträchtigung seines eigenen Bedarfs zur Zahlung in der Lage gewesen sein, weil der Selbstbehalt im Elternunterhalt 1.800 EUR zzgl. der Hälfte des diesen Mindestbetrag übersteigenden Einkommens betrug und das Angehörigenentlastungsgesetz noch nicht in Kraft war.
Diese zeitlichen Aspekte beleuchten weder das OLG München noch der BG...