A. Recht der elterlichen Sorge
Zu den angedeuteten verfahrensrechtlichen Änderungen zählt erfreulicherweise die Abschaffung des Zwangsverbundes. Damit sind Eltern, die sich trennen und scheiden lassen, der Aufgabe enthoben, zwangsweise mit der Scheidung die Sorgerechtsfrage klären zu lassen. Das und sicherlich auch ein Wandel hinsichtlich des Verständnisses von Elternverantwortung hat dazu geführt, dass – so die Bundesjustizministerin in der in Fn 3) erwähnten Pressemitteilung – inzwischen (Ergänzung von mir: erstaunliche) 90 % aller Eltern, die sich trennen, die gemeinsame Sorge fortführen.
In den verbleibenden Fällen, in denen um das Sorgerecht nach § 1671 BGB gestritten wird, stellte sich (vor der Reform) und stellt sich weiterhin die Frage, ob das Belassen des gemeinsamen Sorgerechts objektive Kooperationsfähigkeit und subjektive Kooperationsbereitschaft voraussetzt oder ob es reicht, dass die Eltern kraft ihrer Verantwortung für das Kind zur Kooperation verpflichtet sind. Hierzu hat der BGH beizeiten ein deutliches klärendes Wort gesagt: Die Neuregelung durch das KindRG enthält kein Regel-Ausnahme-Verhältnis in dem Sinn, dass eine Priorität zugunsten der gemeinsamen Sorge bestehen und die Alleinsorge eines Elternteils nur in Ausnahmefällen als ultima ratio in Betracht kommen sollte. Es besteht auch keine Vermutung dafür, dass die gemeinsame elterliche Sorge im Zweifel die für das Kind beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung sei. Gemeinsamkeit lässt sich in der Realität nicht verordnen. Diese Erkenntnisse hat der BGH kürzlich wiederholt. Auch das BVerfG setzt im Interesse des Kindeswohls ein – vorhandenes – Mindestmaß an Übereinstimmung bei den Eltern voraus.
Für nicht miteinander verheiratete Eltern ist – jedenfalls aus der Sicht des jeweils beteiligten Vaters – die Möglichkeit, die gemeinsame elterliche Sorge erst einmal zu erlangen, schon nach Maßgabe des § 1626a BGB eingeschränkt. Das hat – abgesehen von einer geforderten Übergangsregelung für bestimmte Altfälle – das BVerfG für "derzeit" verfassungsgemäß gehalten, aber dem Gesetzgeber einen "Beobachtungsauftrag" erteilt mit der Folge, u.U. eine "Nachbesserung" vornehmen zu müssen. Die Diskussion über eine Neuregelung hält aus rechtspolitischer Sicht und wegen Bedenken im Hinblick auf die EMRK an.
B. Umgang
Ebenso wie die elterliche Sorge des einen steht das Umgangsrecht des anderen Elternteils unter dem Schutz von Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG. Wenn die Eltern sich über die Ausgestaltung des Umgangs nicht einigen können, muss das Gericht bei seiner Entscheidung die beiderseitigen Grundrechtspositionen und ebenso das Wohl des betroffenen Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigen. Aus dieser und weiteren neueren Entscheidungen wird auch deutlich, dass das BVerfG verfassungsrechtliche Bezüge zugunsten des Umgangsberechtigten immer stärker betont.
Wie zum Wohl des Kindes i.d.R. der Umgang mit beiden Elternteilen gehört (§ 1626 Abs. 3 S. 1 BGB), hat das Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil und ist jeder Elternteil zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt (§ 1684 Abs. 1 BGB). Streitig war bisher, ob sich daraus für das Kind ein gerichtlich durchsetzbares Umgangsrecht ergibt und ob ein Elternteil den anderen unmittelbar in die Pflicht zum Umgang nehmen kann. Beide Fragen sind jetzt gelöst: Nach dem Urteil des BVerfG v. 1.4.2008 dient ein Umgang mit dem Kind, der nur mit Zwangsmitteln gegen einen umgangsunwilligen Elternteil durchgesetzt werden kann, regelmäßig nicht dem Kindeswohl und ist damit nicht gerechtfertigt. Das Recht auf Umgang mit seinen Eltern steht dem Kind als höchstpersönliches Recht zu und kann deshalb auch nur von ihm, vertreten durch den sorgeberechtigten Elternteil oder, bei Interessenkonflikt, durch einen Verfahrenspfleger, besser wohl: Ergänzungspfleger, nicht dagegen von dem Elternteil im eigenen Namen gerichtlich geltend gemacht werden.
Ein wichtiger Gesichtspunkt namentlich in Sorge- und Umgangsrechtsverfahren ist die Gewährung effektiven Rechtsschutzes. Sie ist aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleiten (Art. 2 Abs. 1 i. V. mit Art. 20 Abs. 3 GG). Die diesem Prinzip innewohnende Rechtssicherheit erfordert, dass strittige Rechtsverhältnisse in angemessener Zeit geklärt werden. Richtschnur für die Angemessenheit einer konkreten Verfahrensdauer sind die Umstände des Einzelfalles, namentlich die Natur des Verfahrens und die Auswirkungen einer langen ...