Vorab stellt sich die Frage, wie das Aktiendepot zum Stichtag der Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens zu bewerten ist. Bergschneider hat einmal die Ansicht vertreten, dass der Wert des Aktiendepots mit dem "wahren Wert" anzusetzen sei. Im Auge hatte er hierbei wohl die Rechtsprechung des BGH zur Bewertung von Grundstücken, die unabhängig von Vermögensabschlägen sozusagen einen fiktiven, dem Grundstück permanent innewohnenden Wert beimessen will. Abschläge müssen demnach unberücksichtigt bleiben, solange sie nicht auf Dauer angelegt sind. Solche Abschläge sind z.B. angesichts der hohen Zinsen in den 80er-Jahren gemacht worden. Sie finden sich im Hinblick auf die angespannte Konjunkturlage jetzt erneut zunehmend in Sachverständigengutachten. Sofern es sich jedoch nur um eine vorübergehende konjunkturelle "Delle" handelt, sind auch diese nach der BGH-Rechtsprechung für die Zukunft bedeutungslos. Bei den Einfamilienhäusern muss vielmehr der "wahre Wert" zugrunde gelegt werden, und dies ist eben regelmäßig der Sachwert. Ob diese Rechtsprechung zur Immobilienbewertung heutzutage noch haltbar ist, sei dahingestellt. Mit gutem Grund ist die ganz überwiegende Ansicht in der Literatur der Auffassung, dass es jedenfalls bei Aktien auf den Kurswert genau zum Stichtag ankommt. Jede andere Betrachtung, insbesondere eine solche nach dem "wahren Wert", würde demgegenüber eine praktikable Zugewinnausgleichsberechnung unmöglich machen. Wenn in einem Aktiendepot jeweils nur eine Aktie von verschiedenen Unternehmen gehalten wird, müsste man nämlich ansonsten, um den "wahren Wert" zu ermitteln, letztlich ein Gutachten über den Firmenwert der einzelnen Gesellschaften einholen. Abgesehen davon, dass niemand den wahren Wert großer Unternehmen wissenschaftlich jemals exakt wird feststellen können, würde dies zu einem kostenrechtlichen Horrorszenario für den Ausgleichsberechtigten führen. Eine Rechtsfindung muss aber auch praktikabel möglich sein. Ist sie mit unkalkulierbaren und unverhältnismäßigen Kosten verbunden, würde dies Rechtsstillstand bedeuten.
Dies kann natürlich im Einzelfall zu Ungerechtigkeiten führen, wie beispielhaft die geradezu exorbitanten Schwankungen der VW-Aktie deutlich gemacht haben. Sie stand am 20.10. bei ca. 210 Punkten; am 28.10. war sie auf über 900 Punkte hochgeschnellt, um dann am 4.11. wiederum auf ca. 400 Punkte abzufallen.
An dieser Stelle wird die Momentaufnahme des Stichtages besonders deutlich. All das, was sich vorher und nachher ereignet hat, bleibt auf der Fotoaufnahme "ausgeblendet". Diese zufällige Betrachtung eröffnet für den Berechtigten oder Verpflichteten die Möglichkeit, den Zugewinnausgleichsanspruch zu minimieren oder zu maximieren. Der Unternehmer, dessen Firma ebenso schlecht wie seine Ehe läuft, wird bemüht sein, genau zu diesem Zeitpunkt den Ehescheidungsantrag einzureichen. Die scheidungswillige Ehefrau, welche zufällig von dem exorbitant hohen Wert des Aktienstandes ihres untreuen Ehemanns Kenntnis erlangt hat, wird möglichst gerade diesen Termin ausnutzen, um einen finanziellen Schlusspunkt zu setzen. Dies sind Zufälligkeiten, welche im Interesse einer vereinfachten Abrechnung ausdrücklich so vom Gesetzgeber in Kauf genommen worden sind. Sie resultieren aus dem Dilemma, dass im Zugewinn gerade nicht dasjenige verteilt wird, was durch Erwerbsanstrengungen angeschafft worden ist. Vielmehr wird in Geld ausgeglichen, was auf der anderen Seite u.U. nur in Sachgütern vorhanden ist. Erschwerend kommt hinzu, dass Geld und Sachwert sich – zudem zeitversetzt – in unterschiedliche Richtungen entwickeln können.
Es ist in diesen Fällen nicht angängig, die zum Stichtag sich ergebenden Werte unter Anwendung einer allgemeinen Billigkeitskorrektur nach oben oder unten zu korrigieren. Ferner ist nicht entscheidend, ob zum entsprechenden Stichtag der Scheidungsantrag fiktiv voraussichtlich Erfolg gehabt hätte. Der BGH hat klargestellt, dass selbst dann, wenn der Scheidungsantrag verfrüht eingereicht wurde, um willkürlich den Stichtag nach vorne zu ziehen, es auf diesen Zeitpunkt ankommt. Sofern erst in zweiter Instanz die Jahresfrist erreicht wird, kann das in erster Instanz abweisende Scheidungsurteil nicht aufrechterhalten werden; vielmehr muss die Sache zurückverwiesen werden. Beim Stichtag bleibt es damit aber.