Der September scheint ein problematischer Monat für Zugewinnausgleichsrechtler zu sein. Man denke nur an den 11.9.2001 oder an den 15.9.2008 (zur Erinnerung: an diesem Tage trat die Insolvenz der Bank Lehman Brothers ein). Dieser "Crash" gab das Startsignal für die Finanzkrise mit all ihren bekannten Aus- und Nachwirkungen. Erneut hat dies deutlich gemacht, wie anfällig eine Zugewinnausgleichsberechnung bei volatilen Vermögenswerten ist, sofern strikt auf das Stichtagsprinzip abgestellt wird. Dabei hat die Gesetzesnovelle nicht etwa, wie man meinen könnte, das grundlegende Problem ausgelöst. Das Zeitfenster ist nur zu Lasten des Ausgleichsverpflichteten nach vorne verlagert worden. Das soll anhand von Fallbeispielen
– zum alten Recht (1.)
– zum neuen Recht (2.)
– zu Mischkonstellationen (3.)
aufgezeigt werden.
1. Bisherige Rechtslage, Fallgestaltung mit Lösung nur nach altem Recht
Romeo und Julia haben sich am 24.12.2005 getrennt. Das Scheidungsverfahren wird am 3.1.2007 rechtshängig. Zu diesem Zeitpunkt verfügt Romeo über ein hoch spekulatives Aktiendepot von 150.000 EUR. Die Ehe wird am 15.12.2007 rechtskräftig geschieden. Der Wert des Depots ist zu diesem Zeitpunkt auf 200.000 EUR gestiegen. Romeo verfügt über ein Anfangsvermögen von 50.000 EUR. Am 14.9.2008 wird von Julia der Zugewinnausgleich anhängig gemacht. Die Entscheidung des Gerichts zum Zugewinn steht für den 30.6.2009 an. Der Wert des hoch spekulativen Aktiendepots beträgt nunmehr aber 0 EUR. Alle Aktien sind wertlos – ohne Aussicht auf Besserung.
Fallabwandlung: Bereits am 15.12.2007 betrug der Wert des Depots 0 EUR.
a) Bewertung eines Depots
Vorab stellt sich die Frage, wie das Aktiendepot zum Stichtag der Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens zu bewerten ist. Bergschneider hat einmal die Ansicht vertreten, dass der Wert des Aktiendepots mit dem "wahren Wert" anzusetzen sei. Im Auge hatte er hierbei wohl die Rechtsprechung des BGH zur Bewertung von Grundstücken, die unabhängig von Vermögensabschlägen sozusagen einen fiktiven, dem Grundstück permanent innewohnenden Wert beimessen will. Abschläge müssen demnach unberücksichtigt bleiben, solange sie nicht auf Dauer angelegt sind. Solche Abschläge sind z.B. angesichts der hohen Zinsen in den 80er-Jahren gemacht worden. Sie finden sich im Hinblick auf die angespannte Konjunkturlage jetzt erneut zunehmend in Sachverständigengutachten. Sofern es sich jedoch nur um eine vorübergehende konjunkturelle "Delle" handelt, sind auch diese nach der BGH-Rechtsprechung für die Zukunft bedeutungslos. Bei den Einfamilienhäusern muss vielmehr der "wahre Wert" zugrunde gelegt werden, und dies ist eben regelmäßig der Sachwert. Ob diese Rechtsprechung zur Immobilienbewertung heutzutage noch haltbar ist, sei dahingestellt. Mit gutem Grund ist die ganz überwiegende Ansicht in der Literatur der Auffassung, dass es jedenfalls bei Aktien auf den Kurswert genau zum Stichtag ankommt. Jede andere Betrachtung, insbesondere eine solche nach dem "wahren Wert", würde demgegenüber eine praktikable Zugewinnausgleichsberechnung unmöglich machen. Wenn in einem Aktiendepot jeweils nur eine Aktie von verschiedenen Unternehmen gehalten wird, müsste man nämlich ansonsten, um den "wahren Wert" zu ermitteln, letztlich ein Gutachten über den Firmenwert der einzelnen Gesellschaften einholen. Abgesehen davon, dass niemand den wahren Wert großer Unternehmen wissenschaftlich jemals exakt wird feststellen können, würde dies zu einem kostenrechtlichen Horrorszenario für den Ausgleichsberechtigten führen. Eine Rechtsfindung muss aber auch praktikabel möglich sein. Ist sie mit unkalkulierbaren und unverhältnismäßigen Kosten verbunden, würde dies Rechtsstillstand bedeuten.
Dies kann natürlich im Einzelfall zu Ungerechtigkeiten führen, wie beispielhaft die geradezu exorbitanten Schwankungen der VW-Aktie deutlich gemacht haben. Sie stand am 20.10. bei ca. 210 Punkten; am 28.10. war sie auf über 900 Punkte hochgeschnellt, um dann am 4.11. wiederum auf ca. 400 Punkte abzufallen.
An dieser Stelle wird die Momentaufnahme des Stichtages besonders deutlich. All das, was sich vorher und nachher ereignet hat, bleibt auf der Fotoaufnahme "ausgeblendet". Diese zufällige Betrachtung eröffnet für den Berechtigten oder Verpflichteten die Möglichkeit, den Zugewinnausgleichsanspruch zu minimieren oder zu maximieren. Der Unternehmer, dessen Firma ebenso schlecht wie seine Ehe läuft, wird bemüht sein, genau zu diesem Zeitpunkt den Ehescheidungsantrag einzureichen. Die scheidungswillige Ehefrau, welche zufällig von dem exorbitant hohen Wert des Aktienstandes ihres untreuen Ehemanns Kenntnis erlangt hat, wird möglichst gerade diesen Termin ausnutzen, um einen finanziellen Schlusspunkt zu setzen. Dies sind Zufälligkeiten, welche im Interesse einer vereinfachten Abrechnung ausdrücklich so vom Gesetzgeber in Kauf genommen worden sind. Sie resultieren aus dem Dilemma, dass im Zugewinn gerade nicht dasjenige verteilt wird, was durch Erwerbsanstrengungen angeschafft worden ist. Vielmehr wird i...