I. Praktische Auswirkungen
Wie mit den Kosten für andere Betreuungsarten zu verfahren ist, lässt sich der Formulierung des BGH nicht entnehmen. Ihre Behandlung hängt eng damit zusammen, wie man die Fremdbetreuungskosten qualifiziert, d.h. wem man sie zuordnet. Restriktionen gegenüber der Anerkennung der Kosten für eine Betreuung in einer kindgerechten Einrichtung ließen sich allerdings nicht begründen, weil Anfall und Erstattungsfähigkeit der Kosten unabhängig von der Betreuungsart sind.
Die – unter C. näher behandelte – Frage nach der unterhaltsrechtlichen Qualifikation der Kosten ist kein Nullsummenspiel und deshalb auch nicht nur von akademischem Wert, sondern von durchaus praktischer Bedeutung. Dies zeigen folgende Rechenbeispiele:
Bei der Behandlung der Betreuungskosten als Mehrbedarf des Kindes, für den der Unterhaltspflichtige in voller Höhe aufkommt, ergibt sich folgende Berechnung:
3.000 EUR – (360 EUR – 82 EUR) – 150 EUR = 2.572 EUR – 1.500 EUR = 1.072 EUR : 2 = UE 536 EUR.
Berücksichtigt man die Betreuungskosten als Aufwand des betreuenden Elternteils, der ihm eine Erwerbstätigkeit erst ermöglicht, ergibt sich:
3.000 EUR – (360 EUR – 82 EUR) = 2.722 EUR – (1.500 EUR – 150 EUR) = 1.372 EUR : 2 = UE 686 EUR.
Per Saldo ändert sich für den betreuenden Elternteil, lässt man die Anspruchsinhaberschaft einmal außer Betracht, zwar nichts: Was er weniger an Kindesunterhalt bekommt, erhält er mehr an Ehegattenunterhalt – und umgekehrt. Dies ist auch nicht anders, wenn es nur auf die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen ankommt:
1.400 EUR – 199 EUR – 150 EUR = 1.051 EUR – 1.000 EUR = UE höchstens 51 EUR.
1.400 EUR – 199 EUR = 1.201 EUR – 1.000 EUR = UE höchstens 201 EUR.
An diesen Berechnungen zeigt sich auch dies: Zwar wird, gleich wie man rechnet, der unterhaltsberechtigte Ehegatte stets mindestens (zur anteiligen Haftung s. unten C. III. 1.) über die Verringerung seines Unterhaltsanspruchs an der Finanzierung der Betreuungskosten beteiligt.
Wegen des Vorrangs des Unterhalts minderjähriger betreuungsbedürftiger Kinder (§ 1609 Nr. 1 BGB), des Gleichrangs betreuender Elternteile (§ 1609 Nr. 2 BGB) und der anteiligen Haftung beider Elternteile für den Mehrbedarf des Kindes (§ 1606 Abs. 3 S. 1 BGB) sowie bei einem Anspruchsübergang auf einen Dritten ist die Fragestellung gleichwohl von großer praktischer Relevanz.
II. Rechtsprechung des BGH
1. "Kindgerechte Einrichtung"
Der BGH behandelt die Kosten für den Besuch eines Kindergartens als Mehrbedarf des Kindes, weil dieser "in erster Linie erzieherischen Zwecken dien[t]", und erstreckt dies ausdrücklich auf den Besuch einer Kinderkrippe. Einerseits scheint man der Formulierung im Leitsatz des Urteils v. 26.11.2008: "Kindergartenbeiträge bzw. vergleichbare Aufwendungen … für die Betreuung eines Kindes in einer kindgerechten Einrichtung" zwar entnehmen zu können, dass auch nach seiner Auffassung die Kosten für andere Arten der Fremdbetreuung nicht stets Mehrbedarf des Kindes zu sein brauchen. Andererseits legt der Hinweis auf den Kindergartenbeiträgen vergleichbare Aufwendungen im Leitsatz nahe, dass er einen Mehrbedarf des Kindes nur dann sieht, wenn die Fremdbetreuung "in erster Linie erzieherischen Zweck dien[t]".
Aber: Der BGH hatte nur über Einzelfälle – Besuch eines Kindergartens und einer Kinderkrippe – zu entscheiden und nicht obiter dictu über die Kosten aller denkbaren Fremdbetreuungsarten. Seiner Begründung kann entnommen werden, dass er wohl maßgeblich den "erzieherischen Zweck" der Fremdbetreuung in den Vordergrund rückt, wenn er auf das Erziehungsziel, "die Kinder zu Beziehungsfähigkeit und Eigenverantwortung anzuleiten und sie dabei zu unterstützen, ein Selbstwertgefühl i.S.d. christlichen Grundwerte zu entwickeln", sowie auf die pädagogisch anerkannte Ausbildung des verantwortlichen Personals und die Führung der Einrichtung nach einem sozialpädagogischen Konzept abstellt. Die für andere Fremdbetreuungsarten anfallenden Aufwendungen können dagegen nach der Vorstellung des BGH – wohl – nicht als Mehrbedarf des Kindes qualifiziert werden.