1. Traditionelles "Altersphasenmodell"
Bis zum 31.12.2007 ging die Rechtsprechung unter der Geltung des traditionellen "Altersphasenmodells" davon aus, dass bis zum vollendeten 8. Lebensjahr eines Kindes keine Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils besteht. Bei der Betreuung von 2 und mehr Kindern wurde die Altersgrenze entsprechend hinausgeschoben, bis mit Vollendung des 15. Lebensjahres des letzten Kindes eine vollschichtige Erwerbsobliegenheit einsetzte.
Besonderes Gewicht kommt im vorliegenden Zusammenhang der Feststellung zu, dass bis zum vollendeten 8. Lebensjahr eines Kindes wegen dessen Belange überhaupt keine Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils besteht, er also auch unterhaltsrechtlich nicht über die Zurechnung fiktiver Erwerbseinkünfte wirtschaftlich zu einer Erwerbstätigkeit gezwungen werden kann. Hat er aber kein Erwerbseinkommen und kann ihm solches nicht fiktiv zugerechnet werden, gibt es keinen erkennbaren Grund und deshalb keine Veranlassung, ihm die Betreuungskosten als Bedarf zuzurechnen: Der Besuch dient allein dem erzieherischen Zweck und nicht auch anderen Zwecken, allein dieses sozialpädagogische Bedürfnis des Kindes bedingt seinen Mehrbedarf.
Deshalb ist es bis zum 31.12.2007 im Ansatz folgerichtig, die Kosten der Fremdbetreuung in einer kindgerechten Einrichtung als Mehrbedarf des Kindes zu behandeln, solange und soweit keine Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils besteht.
2. UÄndG 2007
a) Bis zum vollendeten 3. Lebensjahr des Kindes
Dies gilt grundsätzlich auch ab Inkrafttreten des UÄndG 2007, das den betreuenden Elternteil bis zum vollendeten 3. Lebensjahr eines Kindes von einer Erwerbsobliegenheit – jedenfalls grundsätzlich – in vollem Umfang freistellt. Deshalb mag vordergründig nahe liegen, bis zum vollendeten 3. Lebensjahr des Kindes weiter am erzieherischen Zweck der Fremdbetreuung anzuknüpfen und die Kosten einer kindgerechten Einrichtung als Mehrbedarf des Kindes zu qualifizieren. Doch ist auch dies weder zwingend noch einleuchtend. Denn der Elternteil, der die Eigenbetreuung des Kindes in dessen ersten 3 Lebensjahren zugunsten einer Erwerbstätigkeit aufgibt, tut dies in aller Regel nicht aus erzieherischen Gründen, sondern um seinen Beruf ausüben zu können.
Anderes mag für den betreuenden Elternteil gelten, der mit der Kindesbetreuung überfordert ist und sich entsprechend eigener oder fremd vermittelter Einsicht für die Fremdbetreuung des Kindes und eine eigene Erwerbstätigkeit entscheidet. In diesen Fällen steht die Fremdbetreuung des Kindes zur Wahrung seiner Belange ganz im Vordergrund, sodass sich die Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils gleichsam als Nebenprodukt der Fremdbetreuung darstellt.
b) Ab dem 4. Lebensjahr
Das UÄndG 2007 hat die nacheheliche Eigenverantwortung der geschiedenen Ehegatten (§ 1569 S. 1 BGB) "gestärkt", im Klartext heißt das verschärft. Es verlangt "vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Wandels" und der Zunahme der "Möglichkeiten der Fremdbetreuung von Kindern", dass dies "bei der Beurteilung der Frage, inwieweit dem geschiedenen Elternteil neben der Betreuung eines Kindes eine Erwerbstätigkeit zumutbar ist, zu berücksichtigen" ist. Deshalb und wegen der sozialrechtlichen Wertentscheidungen in § 11 Abs. 4 S. 2–4 SGB XII, § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II wird vom betreuenden Elternteil ab dem vollendeten 3. Lebensjahr des Kindes eine Erwerbstätigkeit erwartet und auch verlangt, soweit diese mit den Belangen des Kindes vereinbar ist (§§ 1570 Abs. 1, 1615l Abs. 2 S. 3–5 BGB). Wenn und soweit eine Erwerbsobliegenheit besteht, obliegt dem betreuenden Elternteil auch, das Kind in Fremdbetreuung zu geben.
Der Ansatz hat sich ab 1.1.2008 also umgekehrt: Konnte bis 31.12.2007 der betreuende Elternteil nach dem traditionellen "Altersphasenmodell" bis zur Vollendung des 8. Lebensjahres des Kindes nur ausnahmsweise auf eine Erwerbstätigkeit verwiesen werden – etwa wenn dies dem Lebensplan der Ehegatten entsprochen und sich an der Betreuungssituation des Kindes durch Trennung und Scheidung nichts geändert hatte –, besteht nunmehr ab dem vollendeten 3. Lebensjahr grundsätzlich eine Erwerbsobliegenheit, soweit dieser nicht ausnahmsweise die Belange des Kindes entgegenstehen, wofür den betreuenden Elternteil die Darlegungs- und Beweislast tr...