Brauchen wir den Gesetzgeber im Familienrecht?
Moderne Gesetze sind anders als frühere Jahrhundertwerke, wie das BGB oder die ZPO, nicht mehr für die Ewigkeit gemacht. Die Halbwertzeit heutiger Gesetzeswerke ist schon nach wenigen Jahren verbraucht.
Aktuell wird die Einführung einer gemeinschaftlichen Sorge für Kinder nichtehelicher Lebensgemeinschaften nach der Entscheidung des EGMR und des BVerfG diskutiert. Die Politik tut sich schwer (vgl. Pressemitteilung Deutscher Bundestag vom 4.8.2011 in diesem Heft).
Dass das neue Verfahrensrecht des FamFG (seit 1.9.2009 in Kraft) nachgebessert werden muss, zumindest in Teilbereichen, wussten die Experten schon vorher. Insofern dürfte eine Novellierung des FamFG anstehen.
Eine andere Baustelle ist das neue Unterhaltsrecht, das seit gut 3 ½ Jahren in Kraft ist (UÄndG 2007 seit 1.1.2008). Hier gibt es drei komplexe Regelungsbereiche, die Schwierigkeiten machen:
Betreuungsunterhalt des betreuenden Elternteils nach § 1570 BGB und § 1615l BGB
Der Wegfall des Altersphasenmodells, den die Rechtsprechung des BGH strikt durchhält, hat zu mehr Einzelfallentscheidungen geführt. Dass der Arbeitsaufwand für die Anwaltschaft größer geworden ist, weil der Betreuungsaufwand konkret zumindest ab dem Alter des Kindes von drei Jahren darzulegen und zu beweisen ist, ist unstrittig. Ob maßvolle Korrekturen durch Schematisierungen des Gesetzgebers hier weiterhelfen würden, dürfte zweifelhaft sein. Realistisch ist es, wenn die Rechtsprechung einen Kriterienkatalog entwickelt, in dem der Entwicklungsgrad des Kindes (der Kinder) einen von verschiedenen Gesichtspunkten darstellt.
Die Vorsitzende des XII. Zivilsenats (Familiensenat) des BGH hat überzeugend und engagiert auf dem 19. Familiengerichtstag in Brühl am 14.9.2011 dargelegt, dass gesetzgeberischer Handlungsbedarf nicht bestehe, sogar kontraproduktiv wäre, weil die Anpassung an das neue Recht Zeit brauche.
Zu Recht hat Frau Dr. Hahne auch gegen Überzeichnungen in den Medien während des Sommerlochs wegen der Entscheidung vom 15.6.2011 Stellung genommen (BGH FF 2011, 365).
Die neue Befristungsvorschrift nach § 1578b BGB
Hier wird vor allem vorgetragen, dass bei Altehen die Ehefrauen sich auf die frühere Rechtslage eingerichtet haben, die eine Befristung auch bei langen Ehen nicht vorsah.
Ob die praktische Umsetzung der Reform bei den Altehen durch die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und des BGH zu weit gegangen ist, wird zu diskutieren sein. Hier könnte ich mir am ehesten noch eine Nachjustierung durch die Gesetzgebung vorstellen, wie auch die Bundesjustizministerin bei ihrem Festvortrag auf dem 19. DFGT angedeutet hat.
Unterhaltsberechnung nach der Drittelmethode
Bei der Berücksichtigung der ehelichen Lebensverhältnisse nach der Dreiteilungsmethode ist zunächst der Bundesgerichtshof nach der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung vom 25.1.2011 gefordert, eine gerechte Auslegung des § 1578 BGB vorzunehmen. Dies soll jetzt im Winter erfolgen.
Es ist relativ unwahrscheinlich, dass sich der Gesetzgeber in die aktuelle Diskussion einklinken wird.
Es bleibt spannend und das Forum, unsere FF, wird am Ball bleiben.
Klaus Schnitzler, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Euskirchen