Im Zuge des gesellschaftlichen Wandels wird nun Ungleichheit zwischen Frauen und Männern in neuer Weise relevant. Dies ist an verschiedenen Indikatoren erkennbar:
Zum einen zeigen die sozialstatistischen Daten einen starken Trend zur Eheschließung innerhalb der gleichen sozialen Schicht; Aufstieg durch Heirat kommt nur noch selten vor. Diese Tendenz geht vor allem auf die Modernisierung des weiblichen Lebenslaufmusters zurück. Die meisten jungen Frauen haben heute vor der Ehe über Ausbildung und Berufstätigkeit eine eigene soziale "Verortung" erreicht, und aus vielfältigen Gründen – strukturellen wie subjektiven – heiraten sie innerhalb ihres beruflichen Milieus bzw. ihrer sozialen Schicht. Relative soziale Gleichheit zwischen den (potenziellen) Ehepartnern ist also vor der Ehe gegeben, wird nicht über sie hergestellt. Damit bekommt die während der Ehe – durch unterschiedliche Muster der Erwerbsbeteiligung entstehende – Ungleichheit eine neue Bedeutung. Es ist eine sozusagen erworbene Ungleichheit, nicht eine mitgebrachte.
Zum anderen steht für junge Frauen heute die Ehe nicht mehr im Zentrum ihrer Lebensplanung. Die Statistiken zeigen, dass die große Mehrheit der Frauen, die eine Ausbildung oder ein Studium absolviert haben, nach dem Abschluss einige Jahre Berufserfahrung sammeln, bevor sie Ehe und Familiengründung in den Blick nehmen. Dies hat weniger damit zu tun, dass sie noch den richtigen Partner suchen, vielmehr wollen sie sich ihrer Qualifikation versichern, wollen sich im Erwerbsleben bewähren. In der vorelterlichen Phase eines Paares kann so eine weitgehende Gleichheit erlebt werden. Auf dieser Grundlage setzt sich nach der Familiengründung ein kulturelles Muster der "imaginierten" Gleichheit durch. Damit ist ein kulturell fundiertes anti-hierarchisches Verhalten der Partner untereinander (und auch mit den Kindern) gemeint, das weitgehend unabhängig vom jeweiligen finanziellen Beitrag zur Lebensführung ist. Die imaginierte Gleichheit hat ihre Grundlage auch in der Vorstellung vom eigenen Berufsverlauf. Dabei stellt die Unterbrechung zur Betreuung eines kleinen Kindes die Kontinuitätsvorstellung nicht infrage – obwohl sich mit zunehmender Dauer des Erziehungsurlaubs die weiteren Berufschancen objektiv erheblich verringern. Das gilt insbesondere dann, wenn die Lage oder die Anforderungen des früheren Arbeitsplatzes sich mit der Sorge für Kinder nicht vereinbaren lassen.
Damit wird die Frage virulent, wie lange die imaginierte Gleichheit funktioniert. Denn wie auch die repräsentativen Verlaufsdaten des Sozio-Ökonomischen Panels SOEP (hier referiert nach Ziefle 2004) zeigen, stellen sich (als dritter Punkt) Nachteile mittel- und längerfristig als Blockierung von Aufstieg ein, auch wenn die Frau an ihren Arbeitsplatz zurückkehren kann. Bekannt ist auch, dass es häufig schwierig ist, aus einer Teilzeit- in eine Vollzeitbeschäftigung zurück zu kehren. Mit der Berufsunterbrechung – auch wenn sie im Elternurlaub rechtlich abgesichert ist – entsteht also eine "Sollbruchstelle" für die berufliche Kontinuität, für Aufstiegsambitionen und für die Höhe des künftigen Einkommens.
Angesichts der sich zunehmend verbessernden externen Kinderbetreuung ist es wohl in Zukunft für die Identifizierung eines ehebedingten Nachteils wichtig, rekonstruieren zu können, dass solche Nachteile auch bei regulärer Berufstätigkeit eintreten können, wie an den Chemikerinnen und Ingenieurinnen gezeigt. Wie sehr die komplementäre Prioritätensetzung von Männern zugunsten längerer Arbeitszeiten mit der gleichzeitig gewünschten Partnerschaftlichkeit in der Ehe konfligieren kann, kommt vor der Familiengründung nur selten in den Blick, das zeigen zahlreiche jugend- und familiensoziologische Studien (vgl. etwa die Beiträge in Cornelißen u.a. 2011).