Im Beschluss vom 19.6.2012 – 2 BvR 1379/09 – erklärte der Zweite Senat des BVerfG es für verfassungswidrig, verpartnerten Beamten den Familienzuschlag nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG vorzuenthalten, der verheirateten Beamten gezahlt wird, auch ohne dass sie Kinder haben.
Der Zweite Senat, von dem diese Entscheidung stammt, hatte sich zur Rechtsprechung des Ersten Senats zum Verhältnis von Lebenspartnerschaft und Ehe nach der Entscheidung vom 7.7.2009 nicht geäußert. Mit dem Nichtannahmebeschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 20.9.2007 war der Ausschluss von Lebenspartnern vom beamtenrechtlichen Familienzuschlag sogar noch gemäß Art. 6 Abs. 1 GG gerechtfertigt worden.
Um die weitere Bedeutung der Entscheidung beurteilen zu können, ist ein kurzer Blick auf die Zuständigkeiten im BVerfG angezeigt. Der Erste Senat – nicht vollständig zu Recht auch bekannt als Grundrechtssenat – besitzt unter anderem die Zuständigkeit für das Familienrecht sowie für bestimmte Steuern und Abgaben, wie zum Beispiel die Erbschafts- und Grunderwerbssteuer. Demgegenüber besitzt der Zweite Senat unter anderem die Zuständigkeit für das Beamtenrecht und das allgemeine Steuerrecht. Damit liegt auch die Zuständigkeit für das Ehegattensplitting beim Zweiten Senat. Ein Verfahren zur Frage, ob die Beschränkung der Vorteile des Ehegattensplittings auf Ehepaare verfassungsgemäß ist oder auch Lebenspartnern eingeräumt werden muss, ist offenbar bereits seit einiger Zeit anhängig. Dass eine Entscheidung zu diesem politisch brisanten Thema bisher aussteht, mag mit den erheblichen personalen Veränderungen im zweiten Senat zusammenhängen. Zwischen 2010 und 2012 haben mit Prof. Dr. Peter Huber, Monika Hermanns, Peter Müller und Dr. Sibylle Kessal-Wulf vier neue Richterpersönlichkeiten den Senat verstärkt. Die Zuständigkeit für das Steuerrecht wechselte mit dem Ausscheiden von Prof. Dr. Lerke Osterloh 2010 zu Prof. Dr. Rudolf Mellinghoff und ging mit dessen Berufung zum Präsidenten des BFH 2011 auf Monika Hermanns über. Dass bei diesen häufigen Wechseln des Berichterstatters und der erheblichen zeitlichen Belastung des Zweiten Senats unter anderem mit den verschiedenen Verfahren im Zusammenhang mit der Euro-Rettung andere Verfahren nicht sofort bearbeitet werden, liegt nahe. Es lässt sich jedoch auch spekulieren, dass die Mehrheitsverhältnisse zur Frage des Umgangs mit der Lebenspartnerschaft nach der Entscheidung des Ersten Senats vom 7.7.2009 noch geklärt werden mussten. Diese Klärung hat nun offenbar stattgefunden. Es wäre überraschend, wenn der Zweite Senat in Bezug auf das Ehegattensplitting nun anders entscheiden würde als in Bezug auf den Familienzuschlag. Politische Diskussionen um das Ehegattensplitting werden also möglicherweise durch eine Entscheidung aus Karlsruhe überholt werden.
Hätte sich der Zweite Senat mit der Rechtsprechung des Ersten Senats nicht anfreunden können, wäre entweder eine Plenumsentscheidung beider Senate geboten gewesen, oder der Zweite Senat hätte den Familienzuschlag unter Berufung auf die Entscheidung vom 21.7.2010 damit begründen können, dass die Ehe "Ausgangspunkt einer Generationenfolge" sein kann. Diesen Weg hat der Senat jedoch nicht eingeschlagen. Interessant sind insofern vielmehr die Aussagen zu Kindern und Lebenspartnerschaften. Der Zweite Senat tritt dem Argument entgegen, dass die Ehe eines Beamten durch finanzielle Zuwendungen gefördert werden müsse, um mehr Kindern das Aufwachsen im geschützten Rahmen der Ehe zu ermöglichen. "Auch die “behüteten' Verhältnisse in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft können das Aufwachsen von Kindern fördern", so das Gericht.
Diese Aussage mag auch für den Ersten Senat von Interesse sein, wenn er die Frage zu beurteilen hat, ob Lebenspartnern nicht nur die Adoption eines Stiefkindes, d.h. eines Kindes des anderen Partners, gestattet werden sollte, sondern wie Ehepaaren die gemeinsame Adoption eines Kindes, das mit keinem der beiden Partner verwandt ist. Bei der Entscheidung dieser Frage wird das BVerfG sich allein am Kindeswohl orientieren müssen, hinter das die Interessen prospektiver Eltern – verheiratet oder verpartnert – in jedem Fall zurücktreten müssen. Ist eine Gefährdung des Kindeswohls generell nicht zu besorgen, besteht keine Rechtfertigung, Lebenspartnerschaften die Adoption generell zu verweigern. Die Eignung des konkreten Paares müsste ohnehin, wie bei Ehepaaren auch, im Einzelfall geprüft werden.