Die Bestimmung des § 124 Abs. 2 Satz 2 ZPO gibt für den besonders relevanten Fall der Einkommensverbesserung eine feste Wertgrenze für das Vorliegen einer wesentlichen Veränderung vor. Danach ist eine Einkommensverbesserung erst ab einer Erhöhung von monatlich 100 EUR mitteilungspflichtig. Maßgeblich ist der Bruttobetrag, da er für die Partei – so die Gesetzesbegründung – anders als ein Nettobetrag einfach und ohne weitere Rechenschritte zu ermitteln ist.
Kritisch wird hier angemerkt, dies sei wenig überzeugend, da die meisten Personen sich an ihrem Nettoeinkommen orientieren und i.d.R. auch nur dieses im Verfahrenskostenhilfe-Beschluss dargestellt wird. Zudem erscheine es äußerst fraglich, ob z.B. eine durch Wechsel der Steuerklasse von IV nach III eingetretene u.U. deutliche Erhöhung des Nettoeinkommens tatsächlich unberücksichtigt zu bleiben hat, da sich das Bruttoeinkommen in diesem Fall nicht verändert.
Diese 100-Euro-Schwelle gilt auch für den Wegfall oder die Verminderung abzugsfähiger Belastungen. Dies betrifft die in der Praxis sehr häufigen Fälle, in denen Verfahrenskostenhilfe letztlich nur deshalb gewährt worden ist, weil abzugsfähige Darlehensraten, Wohnungskosten nach einem Umzug oder PKH-Raten aus früheren Verfahren für die Bewilligung als solche oder die Höhe der festzusetzenden Raten relevant waren. Von Bedeutung sind hier in der Praxis auch wegfallende Unterhaltsbelastungen!
Einzelfälle zum Einkommen:
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Es kommt allein auf die Erhöhung des Bruttoeinkommens an; ob dies überhaupt zu einer Erhöhung des Nettoeinkommens führt (Stichwort kalte Progression), ist unerheblich und wird allein durch das Gericht überprüft. |
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Der Wegfall bislang berücksichtigter Belastungen bezieht sich dagegen allein auf einen Betrag von 100 EUR (insoweit Netto) |
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Die Einkommensverbesserung muss auf Dauer angelegt sein, sie darf nicht nur einmalig erfolgen (§ 120 Abs. 2 S. 2 ZPO). Zahlungen, die zwar nur einmalig, aber im Übrigen regelmäßig jedes Jahr erfolgen (Gratifikationen, Sonderzuwendungen – Urlaubs-/Weihnachtsgeld, Einkommensteuerrückerstattungen), sind wie bei der Erstentscheidung auf den Monat umzulegen; sodann ist das Erreichen der 100 EUR-Grenze zu beurteilen. |
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In der Praxis problematisch sind dabei gestaffelte und zeitversetzte Veränderungen. Die Grenze der Wesentlichkeit kann dabei auch durch die Addition von Veränderungen überschritten werden. Erhöht sich das Einkommen um 50 EUR und entfallen zum gleichen Zeitpunkt Schuldenbelastungen von 60 EUR, ist die Grenze überschritten. Erhöht sich das Einkommen im Januar um 50 EUR und entfallen im Mai Schuldenbelastungen von 60 EUR, ist jedenfalls im Mai die Grenze überschritten. In beiden Fällen ist der Antragsteller zur Mitteilung der Veränderung verpflichtet. |
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Erhöht sich das Einkommen um 120 EUR und werden zeitgleich Schuldverbindlichkeiten von 60 EUR neu begründet, kann der Antragsteller nicht einfach eine Verrechnung vornehmen und von der Mitteilung der Veränderung absehen. Denn die Frage, ob die neuen Schulden im Rahmen der PKH-Bewilligung anerkannt werden können, hat allein das Gericht zu entscheiden. |
Praxishinweise:
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Da nicht immer abzusehen ist, ob die Wesentlichkeitsgrenze überschritten ist, ist im Hinblick auf die gravierenden Folgen anzuraten, jede größere Änderung vorsorglich dem Gericht mitzuteilen. Eine formlose Nachricht genügt hierzu. |
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Die Entscheidung über die Berücksichtigung ist Sache des Gerichts, nicht des Antragstellers! |