Die derzeit gebräuchliche Methode wirkt auf den ersten Blick einleuchtend, sollte aber einmal kritisch hinterfragt werden, ob sie ihren eigenen Vorgaben gerecht werden kann. Der Elternunterhalt soll zu keiner signifikanten Einschränkung der einkommenstypischen Konsumgewohnheiten führen. Es ist nur schwer vorstellbar, wie sich diese Vorgabe verwirklichen lässt, wenn bei Unterhaltspflichtigen, die keine besonderen Belastungen anführen können, ein Einkommen von 2.250 EUR mit 10 % des Nettoeinkommens oder ein Einkommen von 5.000 EUR mit etwa ⅓ des verfügbaren Einkommens belastet werden. Bedenken können sich nicht nur aus dem Verhältnis zum jeweiligen Nettoeinkommen ergeben, sondern auch aus der linearen Grenzbelastung von 50 % des den Sockelbetrag übersteigenden Einkommens. Durchschnittliche und selbst gehobene Einkommen sind in ihrer Verwendung überwiegend gebunden, lassen also keine beliebigen Ausgaben zu. Es ist erst der frei verfügbare Teil, der einen Gestaltungsspielraum bietet. Bei geringen Einkommen wirkt jede zusätzliche Ausgabe daher weitaus belastender als bei einem höheren Lebensstandard.
Auch sollte die Rechtsprechung darauf bedacht sein, Widersprüche zu ihren übrigen unterhaltsrechtlichen Wertungen zu vermeiden. Bis zu einem für den Ehegattenunterhalt verfügbaren Gesamteinkommen von mehr als 5.000 EUR gilt jedenfalls die durchaus realistische Annahme, dass dieser Betrag vollständig für den eigenen angemessenen Konsum verbraucht wird. Ein Ehegatte muss seinen angemessenen Bedarf erst jenseits eines Betrages zwischen 2.300 und 2.500 EUR konkret darlegen. Bei ausreichendem Sachvortrag werden dann auch Bedarfe von 5.000 EUR oder mehr akzeptiert. Da die angemessenen Bedarfe nach § 1578 Abs. 1 BGB und § 1603 Abs. 1 BGB demselben Zweck dienen, ist es nicht nachzuvollziehen, auf welche Umstände sich die Vermutung stützt, beim Elternunterhalt seien bereits bei geringeren Einkommen Leistungen ohne Einschränkung des einkommenstypischen Konsumniveaus möglich.
Noch größer ist der Abstand zu dem Einkommen, das bei Leistungen der sozialen Grundsicherung unberücksichtigt bleibt. § 43 Abs. 3 SGB XII i.V.m. § 16 SGB IV zieht diese Grenze bei der Summe der Einkünfte von 100.000 EUR. Dieser Grenzbetrag gilt für jeden einzelnen Unterhaltspflichtigen – d.h. bei einem Ehepaar kann sich dieser Betrag verdoppeln. Für einen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten entspricht dies einem monatlichen Nettoeinkommen von etwa 4.500 EUR. Auch wenn dieser Betrag nicht unbedingt dem unterhaltsrelevanten Einkommen gleichzusetzen ist, hat der Gesetzgeber hier typisierend eine keineswegs unrealistische "Schmerzgrenze" vorgegeben, bis zu welchem Einkommen ein Unterhaltsrückgriff nicht ohne nennenswerte Einschränkung bei der Lebensführung zu bewältigen ist. Bundesverfassungsgericht und BGH verweisen in ihrer Rechtsprechung ebenfalls auf diese Regelung, mit der die "Belastung erwachsener Kinder durch die Pflicht zur Zahlung von Elternunterhalt unter Berücksichtigung ihrer eigenen Lebenssituation in Grenzen gehalten werden soll".
Die eklatanten Unterschiede, die beim Unterhaltsregress zwischen der Hilfe zum Lebensunterhalt und der Hilfe zur Pflege bestehen, sind rational nicht nachzuvollziehen und daher zu Recht wiederholt kritisiert worden. Eine Angleichung läge nahe, um die Verwerfungen zwischen den sozial- und unterhaltsrechtlichen Maßstäben gering zu halten – ein weitgehender Verzicht auf Einkommensbereinigungen würde zugleich kleinliche und oft als unwürdig empfundene Kontrollen der Lebensverhältnisse vermeiden.