In der Rechtsprechung stößt man regelmäßig auf den Topos vom "schwach ausgestalteten" Elternunterhalt. Begründet wird dies mit der entfernten Rangposition. Nun lässt der Rang Bedeutung und Höhe des Anspruchs unberührt. Er ist nur verbindlich für die Reihenfolge, in der die – jeweils ungeschmälerten – Ansprüche mehrerer Berechtigter zu berücksichtigen sind. Die Rangordnung bezieht sich daher allein auf die Leistungsfähigkeit. Ist der Pflichtige leistungsfähig, ist der Anspruch auf Elternunterhalt unabhängig von der erreichten Höhe zu erfüllen; insofern besteht kein Unterschied zu allen anderen Unterhaltsansprüchen. Unterschiede finden sich in anderem Zusammenhang: Der durch die Pflegesätze von dritter Seite vorgegebene Bedarf lässt sich nicht beeinflussen und erreicht schnell eine Größenordnung, die aus einem durchschnittlichen Alterseinkommen nicht aufgebracht werden kann. In diesem Stadium lassen sich die Möglichkeiten der Bedarfsdeckung durch den bis dahin eigenverantwortlich agierenden Elternteil nicht mehr weiter verbessern. Für die Leistungsfähigkeit gilt weiterhin nach § 1603 Abs. 1 BGB, dass zunächst der eigene angemessene Bedarf des Unterhaltspflichtigen gewährleistet sein muss – nur mit dem Unterschied, dass er den ungedeckten Bedarf des Berechtigten nicht zu verantworten hat und der Anspruch seine eigene Lebensführung nicht beeinträchtigen darf.
Die weitere Betrachtung folgt diesem unterhaltsrechtlichen Schema von Bedarf – Bedürftigkeit – Leistungsfähigkeit.
1. Bedarf
Der Bedarf umfasst alle zum Leben benötigten Mittel. Durch den Pflegeanteil treffen wir unterhaltsrechtlich auf einen außergewöhnlich hohen Mehrbedarf, den viele nicht mehr aus ihrem laufenden Einkommen aufbringen können, und der durch die Leistungen der Sozialen Pflegeversicherung nur teilweise aufgefangen wird. Bei den vorgegebenen Heim- und Pflegekosten erscheint dessen Höhe auf den ersten Blick evident. Sie setzen sich zusammen aus dem jeweiligen Pflegesatz zuzüglich Hotelkosten – Unterkunft und Verpflegung – sowie 107 EUR als Barbetrag zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse (§ 27b Abs. 2 SGB XII), die nicht durch die Sachleistungen gedeckt sind. Gleichwohl ist das Niveau des unterhaltsrelevanten Bedarfs bescheiden. Da die Pflegebedürftigkeit auf einer individuellen, schicksalhaften Entwicklung beruht, müssen die Eltern ein damit verbundenes Absenken ihrer eigenen Lebensstellung hinnehmen. Der Unterhalt dient nicht dazu, ein früher erreichtes Lebensniveau zu konservieren, er deckt im Ergebnis nur das Existenzminimum ab. Ausnahmen können relevant werden, wenn Eltern den Heimaufenthalt zunächst selbst tragen konnten, dann aber aufgrund veränderter Kosten oder eines erhöhten Pflegbedarfs bedürftig werden und ihnen der Wechsel in ein günstigeres Heim nicht mehr zuzumuten ist. Entsprechendes gilt, wenn die Kinder bei der Auswahl des Heimplatzes mitgewirkt haben. Anfangs in der Literatur geäußerte Befürchtungen, die Kinder würden auch noch zu den Kosten eines luxuriösen Heimes mit Schwimmbad und Wellness-Oase herangezogen, erwiesen sich jedoch als unberechtigt.
Trotz des nur existenzsichernden Niveaus bleibt aus der Sicht des Unterhaltspflichtigen die Frage nach der Angemessenheit eines Bedarfs, der inzwischen eine Höhe erreicht, den viele der Betroffenen nicht aus eigenen Mitteln aufbringen können und bei dem der in der Praxis realisierte Elternunterhalt oft nur Zuschusscharakter hat, weil er ebenfalls noch weit von einer Bedarfsdeckung entfernt ist. Die Heimkosten werden durch viele Faktoren beeinflusst. Besonders hinzuweisen ist auf die Investitionskosten. Diese betragen im Bundesdurchschnitt 420 EUR, aber auch Beträge von 750 EUR sind keine Ausnahme. Das Grundkonzept der Pflegeversicherung sah eigentlich vor, die mit deren Einführung verbundenen Einsparungen im Sozialhaushalt zumindest teilweise in die Förderung der Infrastruktur umzuleiten. Nun haben die Länder bei der in ihre Kompetenz fallenden Gestaltung pflegerischer Infrastruktur einen sehr weiten Gestaltungsspielraum. Soweit Fördermaßnahmen unterbleiben, schlagen die Investitionskosten in voller Höhe auf den Pflegesatz durch. Mit anderen Worten: Die Struktur der Landeshaushalte bedingt einen die anfänglichen Vorstellungen des Gesetzgebers übersteigenden Pflegesatz und strahlt damit auf den unterhaltsrechtlichen Bedarf aus. Wird die Berechtigung der Investitionskosten trotz Bestreitens nicht dargelegt, bleiben sie bei der Bemessung dieses Bedarfs unberücksichtigt.