Interview mit Dr. Hermann Heuschmid, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Bonn
FF/Schnitzler: Sie sind seit 1973, also inzwischen mehr als 40 Jahre Anwalt, seit 1997 Fachanwalt für Familienrecht. Wenn Sie diese lange Zeit Revue passieren lassen, was sind für Sie die einschneidendsten Erlebnisse in dieser Zeit?
Heuschmid: Es dürfte schwierig sein, auf diese Frage in diesem Rahmen einzelne Komplexe herauszugreifen, ohne die sich ständig verändernde Gesetzeslage, aber auch die "Neugestaltungen" in der Rechtsprechungssituation zu berücksichtigen.
Für mich als Praktiker waren in der Rückschau von ganz nachhaltiger Bedeutung die Änderungen in der Unterhaltsberechnung im Bereich der Anrechnungs- und Differenzmethodik sowie die gesetzliche Neuordnung des Unterhaltsrechts seit dem 1.1.2008. Darüber hinaus war selbstverständlich auch die Neuorientierung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Wirksamkeit von Eheverträgen für die Praxis einschneidend, ein Prozess, in welchem insbesondere im Zusammenhang mit der Neubewertung von Verzichtsklauseln beim Zugewinn ein weiteres Diskussionsfeld eröffnet worden ist.
FF/Schnitzler: Wir beide haben den Fachanwaltstitel unmittelbar nach Einführung der Fachanwaltschaft 1997 erworben. Hat sich die Einführung der Fachanwaltschaft aus Ihrer Sicht gelohnt und wie werten Sie die Tatsache, dass inzwischen die Möglichkeit durch die Bundesrechtsanwaltskammer geschaffen worden ist, drei Fachanwaltstitel nebeneinander zu führen, die teilweise nichts miteinander zu tun haben müssen?
Heuschmid: Ich bin der festen Überzeugung, dass die Einrichtung von Fachanwaltschaften sich insbesondere für unser Klientel gelohnt hat, weil die Verleihung der Bezeichnung "Fachanwalt" einen zusätzlichen Wissensnachweis voraussetzt und die Beibehaltung der Bezeichnung die alljährliche Teilnahme in einer qualifizierten Fortbildung erfordert.
Nach meiner Erfahrung legen Mandanten in ihrer Wahl eines sie vertretenden Anwalts besonderen Wert auf das Vorhandensein einer solchen Bezeichnung in der klaren Erwartung, dass das eigene Mandat von jemandem geführt wird, der über spezialisiertes Wissen in diesem Fachbereich verfügt. Angesichts der schon seit langem eingeführten Fachanwaltschaften hat es im Übrigen den Anschein, dass das Vorhandensein einer solchen zusätzlichen Qualifikation von Klienten praktisch schon vorausgesetzt wird.
Ob die Möglichkeit, drei Fachanwaltstitel nebeneinander führen zu können, sich auf Dauer bewährt, wage ich für den Fall, dass völlig unterschiedliche Rechtsbereiche betroffen sind, zu bezweifeln. Für naheliegende bzw. sich überschneidende Rechtsgebiete wie z.B. Familienrecht und Erbrecht dürfte dies sicherlich anders sein. Bei völlig unterschiedlichen Fachbereichen dürfte ein Nebeneinander für den rechtssuchenden Klienten u.U. die Optik verwischen.
FF/Schnitzler: In Ihrer eigenen Kanzlei, die Sie mit dem verstorbenen Kollegen Eimer und dem Kollegen Mehle zusammen aufgebaut haben, sind von 19 Anwälten 7 Fachanwälte für Familienrecht. Dies ist ein ganz starker Bezug zum Familienrecht. Kann man daraus schließen, dass Sie ein starkes Standbein auf das Familienrecht, ggf. auch auf das Erbrecht gesetzt haben, anders als vielleicht andere Großkanzleien?
Heuschmid: Es ist richtig, dass wir in unserer Kanzlei die Bereiche Familien- und Erbrecht in den letzten 15 bis 20 Jahren ganz besonders gepflegt haben und erreichen konnten, dass diese Bereiche stetig gewachsen sind.
Ich verstehe insoweit eine Vielzahl großer und größerer Kanzleien im Rahmen ihrer Mandatspolitik nicht, dass der familien- und erbrechtliche Bereich vernachlässigt oder völlig outgesourct wird. Man kann den Hintergrund einer solchen Haltung nur dahingehend vermuten, dass die hier betroffenen Bereiche möglicherweise nicht ausreichende "Erträgnisse" erbringen, wie dies von anderen Rechtsbereichen fast schon automatisch unterstellt wird. Ich kann allerdings nicht verhehlen, dass wir über diese Haltung größerer Kanzleien angesichts unseres Zuwachses nicht unglücklich sind.
Wenn uns mittelständische Familienunternehmen – auch aus dem weiteren Umfeld – zur Beratung in familienrechtlichen bzw. erbrechtlichen Bereichen in Anspruch nehmen, ist dies für uns immer wieder die Bestätigung, dass die besondere Spezialisierung vernünftig war.
FF/Schnitzler: Vor dem Fachanwalt für Familienrecht ist der Familienrichter durch Reformgesetzgebung 1977 eingeführt worden. Ein Thema ist von mir immer wieder in Gesprächen mit Angehörigen der Justiz, aber auch mit Justizministern erörtert worden: die Qualifikation der Familiengerichtsbarkeit. Wie stehen Sie dazu und welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Heuschmid: Die Frage nach der Qualifikation der Familiengerichtsbarkeit ist sicherlich ein "weites Feld", wobei ich mir bei einem/r "guten" Familienrichter/in neben juristischer Kenntnis insbesondere aber menschliche Erfahrung wünsche, was sich zweifellos erst nach mehreren Berufsjahren einstellt.
Es macht also durchaus Sinn, "gestandene" Richterinnen und Rich...