Mit seinem Beschluss vom 24.6.2015 hatte das BVerfG sowohl zu der Frage der Verfassungskonformität der aktuellen Gesetzeslage bezüglich der Zuordnung der elterlichen Sorge sowie des Umgangsrechts bei getrennt lebenden Eltern, als auch einer möglicherweise gegen Verfassungsgrundsätze verstoßenden Auslegung der §§ 1671, 1684 BGB durch die vorangehenden Fachgerichte Stellung zu nehmen. Dass durch den Beschluss weder die eine noch die andere Frage abschließend im Sinne des Beschwerdeführers beantwortet werden würde, dürfte diesem wohl von Anfang an klar gewesen sein. Das eingeleitete verfassungsgerichtliche Verfahren war ersichtlich vielmehr als "Impuls" zu verstehen, der in die aktuelle Diskussion um das sog. (paritätische) Wechselmodell Bewegung bringen und die Tendenz des Verfassungsgerichts ausloten sollte, um im Fall einer wohl erstrebten Gesetzesreform als "Orientierungslinie" zu dienen, mindestens jedoch die befürwortende Argumentation zum paritätischen Wechselmodell gegebenenfalls auf den Beschluss stützen zu können.
Die Kammer hat in ihrem Beschluss umfassend die in der Rechtsprechung vertretenen Meinungen zu der Frage dargestellt, ob nach geltender Gesetzeslage gegen den erklärten Willen eines Elternteils die Anordnung einer paritätischen Betreuung zulässig ist, ohne jedoch hierzu eine eigene Wertung vorzunehmen. Unter Rückgriff auf eine gefestigte verfassungsgerichtliche Rechtsprechung wurde lediglich klargestellt, dass der Gesetzgeber seinen Gestaltungspielraum hinsichtlich der Zuordnung elterlicher Rechte und Pflichten nicht dadurch überschreitet, dass er die paritätische Betreuung nicht als Regelfall vorsieht, wobei sich auch unter Berücksichtigung völkerrechtskonformer Auslegung des Grundgesetzes keine andere Bewertung ableitet. Sollte daher eine Reform des derzeit geltenden Rechts zu irgendeinem Zeitpunkt in Erwägung gezogen werden, so dürfte die Anordnung der paritätischen Betreuung als Regelfall wohl nicht zu erwarten sein.
Offen gelassen wurden daneben zwar die Fragen, ob nach derzeit geltendem Recht eine paritätische Betreuung gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden kann bzw. eine solche Möglichkeit sich aufgrund etwaig veränderter Gesetzeslage eröffnen würde. Umso eindeutiger hat sich aber die Kammer hinsichtlich der Anforderungen positioniert, die in jedem Fall an die gemeinsame Ausübung der aus Art. 6 Abs. 2 GG folgenden Elternrechte zu stellen sind, unabhängig davon, ob es um Fragen der elterlichen Sorge oder des Umgangsrechts geht. Wohl nicht ohne Grund spricht das Verfassungsgericht in seinem Beschluss hier ausdrücklich von einer "Elternverantwortung", die am Kindeswohl ausgerichtet ist und unter Beachtung der Rechte des Kindes stets eine tragfähige soziale Beziehung und ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen den Eltern voraussetzt.
Ganz gleich, ob daher bereits auf der Basis der derzeit geltenden Gesetzeslage oder erst in Erwartung einer etwaigen Gesetzesreform die Bewertung eines nicht von beiden Elternteilen getragenen paritätischen Wechselmodells in Rede steht, wird stets die Frage der objektiven Kooperationsfähigkeit und subjektiven Kooperationswilligkeit der Eltern zu thematisieren sein, wie sie derzeit bereits als Leitbild des § 1671 BGB gilt. Nur wenn sichergestellt werden kann, dass ein Kind durch eine bestimmte Betreuungsform nicht zusätzlich in einen elterlichen Konflikt involviert und durch diesen weitergehend belastet wird, kann die jeweilige Betreuungsform als dem Kindeswohl entsprechend angesehen werden.
Dass allein das Kindeswohl letztlich zentraler Maßstab ist, hat die Kammer in ihrem Beschluss mehr als deutlich hervorgehoben. Dies gilt sowohl für die Prüfung der Verfassungskonformität gesetzlicher Regelungen – sei es de lege lata oder de lege ferenda – als auch bei deren Auslegung und Anwendung durch die jeweiligen Fachgerichte. Unabhängig davon, ob ein paritätisches Betreuungsmodell als Teilbereich der elterlichen Sorge oder des Umgangsrechts zu sehen ist und ebenso ob dieses Betreuungsmodell letztlich verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht wird oder nicht, hat es keine Existenzberechtigung, wenn es dem Kindeswohl widerspricht. Eltern, die sich wechselseitig als "geisteskrank" oder "obsessiv klagewütig" verunglimpfen und nicht einmal unter dem Einfluss der Erörterungen in einer mündlichen Verhandlung vor einem Oberlandesgericht sich auf mediative Elterngespräche einzulassen bereit sind, können ernsthaft nicht davon ausgehen, zu einer kindeswohlorientierten Ausgestaltung einer paritätischen Betreuung in der Lage zu sein, die mehr als jede andere Betreuungsform eine intensive und kooperative Zusammenarbeit der Elternteile erfordert. Eltern, die – unabhängig von ihrem Bildungsstand – einen Sprachstil pflegen, der auf Beleidigung und Verunglimpfung des jeweils anderen angelegt ist und sich nicht einmal scheuen, dies unter dem Anspruch, im Kindeswohl zu handeln, in einem kindschaftsrechtlichen Verfahren auch so vortragen, sind von der zu erwartenden und...