Über die Vollendung des dritten Lebensjahres des K hinaus kann F von M nur noch Betreuungsunterhalt verlangen, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht, § 1615l Abs. 2 S. 4 BGB (sog. "Billigkeitsbetreuungsunterhalt"). Dabei sind insbesondere die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen, § 1615l Abs. 2 S. 5 BGB. Jegliche Pauschalierung verbietet sich in diesem Zusammenhang.
Praxishinweis
Es ist stets eine umfassende Billigkeitsabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen.
Ein abrupter Wechsel von der elterlichen Betreuung hin zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit wird zwar nicht verlangt. Vielmehr ist im Kindeswohlinteresse ein gestufter Übergang grundsätzlich möglich. Dieser kann sich allerdings nur an individuellen kind- oder elternbezogenen Gründen im Einzelfall orientieren, die einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils mit Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes entgegenstehen.
Derartige Umstände, die der Unterhaltsberechtigte im Einzelnen konkret darzulegen und zu beweisen hat, sind im Beispielsfall zunächst nicht ersichtlich. Vielmehr trifft die F nunmehr die Obliegenheit, ihre Erwerbstätigkeit als Lehrerin (weiterhin) vollschichtig auszuüben. Daran ist sie durch die Notwendigkeit der Kinderbetreuung nicht gehindert, weil die Zeiten der Betreuung des K im Kindergarten ab September 2013 ihre Arbeitszeiten vollständig abdecken. Ihr Einkommen ist nicht mehr als überobligatorisch zu betrachten, sondern in voller Höhe, und zwar ohne Vorabzug eines Erwerbstätigenbonus, auf ihren Bedarf anzurechnen, so dass dieser vollständig gedeckt ist und kein Unterhaltsanspruch gegen M mehr besteht.
Ab Februar 2014 ändert sich die Situation grundlegend. Die gesundheitliche Beeinträchtigung des K macht aus kinderpsychologischer Sicht die Reduzierung der Arbeitszeit der F auf 50 % erforderlich. Damit liegt ein kindbezogener Verlängerungsgrund vor, der für F eine Erwerbstätigkeit nur noch im Umfang einer halben Stelle zumutbar macht und ihren Anspruch auf Betreuungsunterhalt gegen M wieder aufleben lässt. Da F ihren Bedarf aufgrund der Verringerung ihres Einkommens nur noch zur Hälfte selbst decken kann, kann sie von M die Zahlung von monatlich 1.250 EUR verlangen.
Der Umstand, dass F seit Oktober 2013 mit S zusammenlebt, steht diesem Anspruch nicht entgegen.
Praxishinweis
Das Zusammenleben des betreuenden Elternteils mit einem neuen Partner führt nicht zur Verwirkung des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB.
Die Frage der Verwirkung des Anspruchs richtet sich aufgrund der Verweisung in § 1615l Abs. 3 S. 1 BGB nach § 1611 BGB. Eine analoge Anwendung des § 1579 Nr. 2 BGB (Verwirkung wegen Bestehens einer verfestigten Lebensgemeinschaft des Berechtigten) kommt nicht in Betracht. Entscheidend für die Versagung des Unterhalts nach dieser Vorschrift ist, dass ein geschiedener Ehegatte sich durch die neue Lebensgemeinschaft endgültig aus der nachehelichen Solidarität herauslöst und zu erkennen gibt, diese nicht mehr zu benötigen, während § 1615l BGB ein (früheres) Zusammenleben und eine daraus resultierende engere Verbindung der Eltern nicht voraussetzt.
Die weitere Reduzierung ihrer Arbeitszeit ab September 2014 aufgrund der nebenberuflichen Ausbildung zur Yogalehrerin bleibt ohne Einfluss auf die Höhe des Unterhaltsanspruchs der F. Diese trifft bei unveränderter Betreuungssituation des K weiterhin eine Erwerbsobliegenheit im Umfang einer halben Stelle.
Die Belastung des betreuenden Elternteils durch berufliche Ausbildungs-, Fortbildungs- oder Qualifizierungsmaßnahmen stellt keinen elternbezogenen Grund für die Verlängerung des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt über die Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes hinaus dar, weil insoweit eigene berufliche Interessen des Elternteils im Vordergrund stehen und der unmittelbare Bezug zur Kindesbetreuung fehlt. Weil F ihrer Erwerbsobliegenheit nicht mehr in vollem Umfang nachkommt, ist ihr – fiktiv – auch weiterhin ein Einkommen aus einer halben Stelle bedarfsdeckend zuzurechnen.