Einleitung
Ein beim Scheitern der Ehe recht alltäglicher Sachverhalt führt zu einer juristisch komplizierten Gemengelage von schuldrechtlichen, güterrechtlichen und unterhaltsrechtlichen Ansprüchen. Illustriert sei dies an folgendem Fall:
Die Ehegatten sind hälftige Miteigentümer des von ihnen bewohnten Familienhauses. Zu dessen Finanzierung haben sie gemeinsam ein Darlehen aufgenommen, für das sie als Gesamtschuldner haften. Beim Auszug eines Ehegatten, hier sei es die Ehefrau, sind die gesamtschuldnerischen Immobilienverbindlichkeiten erst zur Hälfte getilgt. Der das Haus nun allein bewohnende Ehemann übernimmt alle Kosten und bedient auch das Darlehen – wie schon während des Zusammenlebens – allein weiter. Ein Entgelt für die Nutzung des Hauses entrichtet er nicht, die Ehefrau fordert ein solches auch nicht an.
Nach zwei Jahren wird das Scheidungsverfahren rechtshängig. In diesem streiten die Ehegatten im Zusammenhang mit der Regelung des Zugewinnausgleichs über die Berücksichtigung der Darlehensverbindlichkeit in ihren Endvermögen und über die Bedeutung, die dem unentgeltlich erlangten Wohnwertvorteil beizumessen ist.
Die Entscheidung des Streits ergibt sich aus folgenden Schritten.
1. Gesamtschuld im Endvermögen
Zunächst ist die Gesamtschuld als Passivposten in das Endvermögen beider Ehegatten einzustellen – und zwar jeweils in voller Höhe, denn beide haften dem Gläubiger gegenüber für die gesamte Verbindlichkeit (§ 421 BGB).
Als Aktivposition ist dann im Endvermögen der Ehegatten aber auch jeweils der Ausgleichsanspruch einzustellen, der aus der gesetzlich für den Fall des Fehlens einer abweichenden Bestimmung vorgesehenen hälftigen Lastentragung im Innenverhältnis resultiert (§ 426 Abs. 1 S. 1 BGB). Im Ergebnis hat die Berücksichtigung dieser internen Ausgleichungspflicht zur Folge, dass die Gesamtschuld das Endvermögen der Ehegatten jeweils nur in Höhe von 50 % mindert. Denn das ist die Quote, die – vorausgesetzt, es ist nichts anderes bestimmt (§ 426 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BGB) – im Innenverhältnis auf jeden von ihnen entfällt. Zu bedenken ist insoweit lediglich, dass die Ausgleichsforderung, die die Gesamtschuldner-Ehegatten gegeneinander haben, wie jede Forderung ihr Endvermögen nur mehrt, wenn sie durchsetzbar ist. Dauerhaft uneinbringliche Forderungen nämlich sind ökonomisch wertlos und deshalb im Endvermögen als Aktivposten grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Betreiben die Ehegatten den Zugewinnausgleich, ist zu bedenken, dass eine derzeit noch uneinbringliche Ausgleichsforderung mit dessen Durchführung werthaltig werden kann. Wird etwa die am Stichtag der Zugewinnberechnung überschuldete Ehefrau aufgrund der zu erwartenden Zugewinnausgleichszahlung solvent werden, ist die gegen sie gerichtete Forderung des Ehemannes aus § 426 Abs. 2 BGB nicht dauerhaft uneinbringlich und folglich als Aktivposten in seinem Endvermögen zu berücksichtigen.
2. Vereinbarungen zum internen Haftungsmaßstab
Zwingende Voraussetzung des hälftigen internen Gesamtschuldnerausgleichs ist, dass in Bezug auf ihn nicht "ein anderes bestimmt ist" (§ 426 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BGB). Eine anderweitige Bestimmung treffen nun aber Ehegatten in aller Regel für die Zeit ihres ehelichen Zusammenlebens – zwar nicht ausdrücklich, aber doch stillschweigend. In Zusammenlebenszeiten nämlich verrechnen (Ehe)Paare typischerweise die Leistungen, die sie wechselseitig erbringen, nicht miteinander. Auch die Zahlung auf eine gemeinsame Darlehensverbindlichkeit wird im Hinblick auf die Leistungen, die der andere finanziell oder in sonstiger Weise erbringt, rechnerisch nicht ausgeglichen. Das ändert sich erst mit dem Scheitern der Beziehung. Spätestens wenn dies mit der Zustellung des Scheidungsantrags endgültig besiegelt ist, haben die Ehegatten keinerlei Grund mehr, sich Leistungen ohne Ausgleich zu erbringen. Sie erwarten das auch nicht mehr voneinander und geben das Agreement über die Nicht-Abrechnung auf – und zwar ebenso stillschweigend, wie sie es eingegangen waren. Der die Gesamtschuld nach außen tilgende Ehegatte kann nun also im Innenverhältnis Regress nehmen, denn es ist vertraglich nicht mehr ein anderes bestimmt. Und auch aus dem Gesetz ergibt sich keine anderweitige Bestimmung – im Gegenteil: Die für die Ehegatten als Bruchteilseigentümer einschlägige Regelung zur internen Lasten- und Kostentragung (§§ 748, 755 BGB) entspricht der für sie als Gesamtschuldner geltenden. Weder aus Vertrag noch aus Gesetz ergibt sich also ein anderer als der gesetzlich vorgesehene hälftige Verteilungsmaßstab – und aus etwas anderem kann er sich nicht ergeben, insbesondere nicht, wie immer wieder behauptet, aus dem "Inhalt und Zweck des Rechtsverhältnisses" oder aus der "Natur der Sache". Inhalt, Zweck und Natur des Geschäfts nämlich bestimmen nichts – sie lassen nur Schlussfolgerungen zu wie hier den Schluss auf einen entsprechenden vertraglichen Willen der Ehegatten.