Mit Unterhaltsvereinbarungen – das hat der bisherige Gang der Darstellung gezeigt – hat der Vertragsgestalter keinen leichten Stand. Kein Wunder, dass Stimmen in der Literatur zu vernehmen sind, welche die dogmatische Sehnsucht nach einer einfachen Regelung zum Ausdruck bringen, die geeignet sein könnte, alle diese Klippen und Fallstricke zu vermeiden. Gemeint ist die Konzeption, die Bergschneider/Engels vorgestellt haben. Aufgrund der Gesetzgebung und Rechtsprechung sei eine "total verfahrene Situation beim nachehelichen Unterhalt“ eingetreten, sodass es Zeit sei, über ein "alternatives Rechtsinstitut" nachzudenken. Die Konzeption beruht auf dem gesetzlichen Modell der Leibrente, der, so die Verfasser, eine gewisse Faszination im Gegensatz zum Unterhalt nicht abzusprechen sei. Dem ganzen Ballast unterhalts rechtlicher Regelungen wie Bedarf, Vorsorgeunterhalt, fiktives Einkommen, Unterhaltsverwirkung, Herabsetzung und zeitliche Begrenzung sei man ledig, würden sich die Parteien auf das Modell eines Leibrentenversprechens verständigen können."
In diesem Zusammenhang stellt sich ohnehin die Frage, welcher Spielraum besteht, sich vom gesetzlichen Modell eines Unterhaltsanspruchs zu entfernen. Wo verläuft die Grenzlinie zwischen der einvernehmlichen Ausgestaltung eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs und einer Vereinbarung ausschließlich auf vertraglicher Grundlage? Die obergerichtliche Rechtsprechung räumt den Ehegatten einen sehr weiten Spielraum ein, sich vom gesetzlichen Modell des Unterhaltsanspruchs zu lösen.
Zitat
"Der Wille der Parteien, den Unterhaltsanspruch völlig auf eine vertragliche Grundlage zu stellen und ihn damit des Wesens eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs zu entkleiden, kann nur beim Vorliegen besonderer dafür sprechender Anhaltspunkte angenommen werden."
Gehen die Parteien in einer Vereinbarung von den Grundvoraussetzungen eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs aus, nämlich der Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten und der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten, wollen sie sich dem System der gesetzlichen Unterhaltsansprüche auch dann unterwerfen, wenn der Unterhaltsanspruch sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen richtet. In der Entscheidung des BGH vom 21.9.2011 hatte sich die Ehefrau bei einem hohen Unterhaltsanspruch, berechnet nach der konkreten Bedarfsmethode, mit monatlich 5.000 DM begnügt, wozu sich der Ehemann ohne zeitliche Einschränkung im Jahr 1979 verpflichtet hatte. Die fehlende Anbindung an die ehelichen Lebensverhältnisse hat den BGH nicht dazu veranlasst, besondere Anhaltspunkte für eine novierende Unterhaltsvereinbarung anzunehmen. In der Entscheidung vom 25.1.2012 genügte es dem BGH, dass die vertragliche Regelung "an unterhaltsrechtliche Grundsätze angelehnt" war. Und diese Anlehnung hat der XII. Senat in Teilen der von den Eheleuten geschlossenen Vereinbarung gesehen, nämlich darin, dass das Renteneinkommen der unterhaltsberechtigten Ehefrau bedarfsmindernd zu berücksichtigen und eine Abänderung möglich sei bei unverschuldeten Einkommenseinbußen des Ehemanns. Die Vorinstanz hatte eine ehevertragliche Unterhaltsregelung losgelöst vom gesetzlichen Unterhaltsrecht als selbstständigen Schuldgrund darin gesehen, dass das Einkommen der Ehefrau keinen Einfluss auf die Unterhaltshöhe nehmen sollte und das Unterhaltsversprechen lebenslang gegeben wurde – vom BGH als "Auslegungsfehler“ bezeichnet. Der Gestaltungsrahmen für solche Unterhaltsvereinbarungen ist also recht weit gesteckt, sodass sich schon von daher die Frage stellt, ob man auf ein alternatives Rechtsinstitut ausweichen soll."
Auf zwei Aspekte soll eingegangen werden, die bei der Wahl für ein Leibrentenkonzept in Erwägung gezogen werden sollten. Einerseits kann die Loslösung vom gesetzlichen Unterhaltsrecht via Leibrentenrecht nur gelingen, wenn von vorneherein die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften des Unterhaltsrechts ausgeschlossen wird. So weisen Bergschneider/Engels zu Recht darauf hin, bei der Vertragsgestaltung sei das oberste Gebot, einen ausdrücklichen Verzicht auf nachehelichen Unterhalt zu vereinbaren, wenn dieser durch eine Leibrente ersetzt werden soll. Andererseits wird von den Autoren konzediert, dass der Sprung in das Leibrentenrecht nicht immer erfolgreich gelingt – die Leibrentenverträge kämen oft nicht vom Unterhaltsrecht los. Dem ist aus Sicht des Praktikers zuzustimmen. Das Problem von Leibrentenversprechen besteht darin, dass man sich mit unterhaltsrechtlichen Modifikationen genau diejenigen Probleme einhandelt, die man mit der Abkehr vom gesetzlichen Unterhaltsmodell eigentlich ersparen wollte. Denn die Parteien wollen die Dauer des Leibrentenversprechens begrenzen – eine ganz untypische Modifikation –, sie wollen die Verwirkungsgründe des § 1579 BGB in der Leibrentenregelung verankert sehen und schließlich sollen – ebenfalls untypisch – Einkommensveränderungen auf beiden Seiten eine Abänderung des Leibrentenversprechens möglich machen. In solchen Fällen st...