1. Überblick
Bewertet wird jedes Anrecht, das verfahrensgegenständlich war. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass die Formulierung im ursprünglichen Referentenentwurf "für jedes auszugleichende Anrecht" in "für jedes Anrecht" geändert worden ist. Daraus folgt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich jedes verfahrensgegenständliche Anrecht bei der Bestimmung des Verfahrenswerts zu berücksichtigen ist, und zwar auch dann, wenn es im Ergebnis nicht zu einem Ausgleich im Wege einer internen oder externen Teilung gekommen ist.
2. Keine Begrenzung
Eine Begrenzung oder ein Höchstwert ist nicht vorgesehen. Allerdings war im ersten Referentenentwurf noch eine Kappungsgrenze von 5.000,00 EUR beabsichtigt. Dieser Betrag war als Höchstwert gedacht, falls die Kumulation mehrerer Anrechte einen höheren Betrag ergeben sollte. Dieser Höchstwert ist dann im Rahmen der Überarbeitung des Gesetzesentwurfes wieder verworfen worden, so dass die letztlich in Kraft getretene Fassung des § 50 FamGKG vom 3.4.2009 selbst keine Begrenzung (mehr) vorsieht. Dessen ungeachtet hat sich diese ursprünglich beabsichtigte Begrenzung in manchen Köpfen festgesetzt. Die vor Verabschiedung des Gesetzes noch vorgenommene Änderung gegenüber dem Referentenentwurf wurde anfangs mitunter nicht beachtet. Einige Justizverwaltungen hatten sogar ihre Programme bereits auf die in der Fassung des Referentenentwurfs vorgesehene Kappungsgrenze eingerichtet und den niemals in Kraft getretenen Höchstwert gespeichert, so dass es zu Fehlentscheidungen gekommen ist und die Beschwerdegerichte korrigierend eingreifen und klarstellen mussten, dass es keine Kappungsgrenze gibt und eine solche Kappung auch aus anderen Gründen nicht vorzunehmen ist.
Bei einer entsprechend hohen Anzahl von Anrechten kann der Wert des Versorgungsausgleichs daher auch den Wert der Ehesache übersteigen. Eine Billigkeitskorrektur ist insoweit nicht angebracht.
Beispiel (Vielzahl von Anrechten):
Das dreifache Nettoeinkommen beider Ehegatten beläuft sich auf 6.000,00 EUR. Kinder und Vermögen sind nicht vorhanden, so dass der Wert der Ehesache auf 18.000,00 EUR festgesetzt wird. Die Ehefrau hat fünf Anrechte, der Ehemann sechs.
Der Verfahrenswert der Folgesache Versorgungsausgleich beträgt 18.000,00 EUR × 110 % = 19.800,00 EUR und liegt damit über dem der Wert der Ehesache.
3. Ost- und Westanwartschaften
Haben die Eheleute sowohl Ost- als auch Westanwartschaften beim selben Rententräger erworben, sind diese Anrechte gleichwohl gesondert zu bewerten, zumal sie gesondert zu berechnen sind und gesondert darüber zu entscheiden ist.
Beispiel (Ost- und Westanrechte):
Beide Eheleute haben jeweils gesetzliche Anrechte beim Rententräger Ost und West; der Ehemann hat darüber hinaus auch noch eine betriebliche Altersversorgung. Das monatliche Nettoeinkommen des Ehemannes beträgt 2.000,00 EUR, das der Ehefrau 3.000,00 EUR.
Jetzt sind fünf Anrechte Verfahrensgegenstand, nämlich zwei Ost-Anrechte, zwei West-Anrechte und eine Betriebsrente. Der Wert der Folgesache Versorgungsausgleich beläuft sich auf 5 × 10 % × 3 × (2.000,00 EUR + 3.000,00 EUR) = 7.500,00 EUR.
4. Volle Bewertung auch bei unterbliebenem Ausgleich
Da es nicht auf die auszugleichenden Anrechte ankommt, sondern auf die verfahrensgegenständlichen Anrechte, ist es unerheblich, ob ein Ausgleich durchgeführt worden ist. Daher ist das dreifache Nettoeinkommen je Anrecht auch in den Fällen einer "negativen Feststellungsentscheidung" (§ 224 Abs. 3 FamFG) maßgebend, also wenn es nicht zum Ausgleich kommt. Das gilt unabhängig davon, ob der Versorgungsausgleich unterbleibt wegen
Beispiel (kein Ausgleich wegen kurzer Ehezeit):
Das monatliche Nettoeinkommen des Ehemannes beträgt 2.000,00 EUR, das der Ehefrau 1.000,00 EUR. Beide Ehegatten verfügen jeweils über ein gesetzliches Anrecht, der Ehemann darüber hinaus auch noch über eine betriebliche Altersversorgung. Wegen kurzer Ehedauer findet ein Ausgleich gem. § 3 Abs. 3 VersAusglG nicht statt.
Alle drei Anrechte sind zu berücksichtigen. Der Wert der Folgesache Versorgungsausgleich beträgt 3 × 10 % × 9.000,00 EUR = 2.700,00...