a) Vorinstanz OLG Nürnberg (Beschl. v. 8.12.2015 – 11 UF 1257/15)
Fall: Die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern hatten einen seitens des Vaters jeweils 14-tägig am Wochenende sowie während der Ferien mit dem Kind auszuübenden Umgang vereinbart. Der Vater erstrebt eine Ausweitung des Umgangs in der Form eines paritätischen Wechselmodells sowie eine gleiche Aufteilung der Ferien und Feiertage. Sein Begehren wurde erst- und zweitinstanzlich zurückgewiesen.
b) Leitsätze des BGH (Beschl. v. 1.2.2017 – XII ZB 601/15, FamRZ 2017, 532 ff.)
Zitat
1. Eine gerichtliche Umgangsregelung, die im Ergebnis zu einer gleichmäßigen Betreuung des Kindes durch beide Eltern im Sinne eines paritätischen Wechselmodells führt, wird vom Gesetz nicht ausgeschlossen. Auch die Ablehnung des Wechselmodells durch einen Elternteil hindert eine solche Regelung für sich genommen noch nicht. Entscheidender Maßstab der Regelung ist vielmehr das im konkreten Einzelfall festzustellende Kindeswohl.
2. Die auf ein paritätisches Wechselmodell gerichtete Umgangsregelung setzt eine bestehende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern voraus (Fortführung des Senatsbeschl. v. 15.6.2016 – XII ZB 419/15, FamRZ 2016, 1439). Dem Kindeswohl entspricht es daher nicht, ein Wechselmodell zu dem Zweck anzuordnen, eine Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit erst herbeizuführen.
3. Ist das Verhältnis der Eltern erheblich konfliktbelastet, so liegt die auf ein paritätisches Wechselmodell gerichtete Anordnung in der Regel nicht im wohlverstandenen Interesse des Kindes.
4. Das Familiengericht ist im Umgangsverfahren zu einer umfassenden Aufklärung verpflichtet, welche Form des Umgangs dem Kindeswohl am besten entspricht. Dies erfordert grundsätzlich auch die persönliche Anhörung des Kindes (im Anschluss an Senatsbeschl. v. 15.6.2016 – XII ZB 419/15, FamRZ 2016, 1439).
c) Einzelheiten, zugleich Besprechung der Entscheidung
aa) Zu LS 1
Zur – bisher umstrittenen – Einordnung als Sorge- oder Umgangsregelung hält sich das Gericht zurück und trifft lediglich folgende Aussage:
Zitat
"Nach zutreffender Auffassung enthält das Gesetz keine Beschränkung des Umgangsrechts dahingehend, dass vom Gericht angeordnete Umgangskontakte nicht zu hälftigen Betreuungsanteilen der Eltern führen dürfen. Ob auf entsprechenden Antrag eines Elternteils und mit welchem Inhalt auch eine auf das gleiche Ergebnis gerichtete Sorgerechtsregelung möglich ist, kann hier offenbleiben."
Diese Aussage kann durchaus dem Umstand geschuldet sein, dass das dem BGH vorliegende Verfahren aus einer Umgangsregelung mündete und vom Kindsvater eine Ausweitung auf ein Wechselmodell beantragt war.
Der BGH begründet sein Ergebnis zunächst damit, dass sich nirgends eine zeitliche Grenze für eine Umgangsregelung finde, diese somit auch paritätisch sein könne.
Ferner beschäftigt sich der BGH mit der Systematik zwischen Umgang und elterlicher Sorge. Zwar habe der Gesetzgeber das Residenzmodell zugrunde gelegt (vgl. etwa §§ 1687, 1606 Abs. 3 S. 2, 1629 Abs. 2 S. 2 BGB), damit aber nur den häufigsten Regelungsfall aufgegriffen. Dass es auch Regelungen des Wechselmodells gäbe, habe der Gesetzgeber gewusst.
Man muss laut BGH beim (gemeinsamen) Sorgerecht keinen Lebensschwerpunkt des Kindes festlegen.
Exkurs: Österreich
Anders ist es in Österreich, vgl. §§ 177, 179, 180 ABGB (§ 177 Abs. 4: Sind beide Elternteile mit der Obsorge betraut und leben sie nicht in häuslicher Gemeinschaft, so haben sie festzulegen, bei welchem Elternteil sich das Kind hauptsächlich aufhalten soll; § 179 Abs. 2: Im Fall einer Obsorge beider Eltern nach Auflösung der Ehe oder der häuslichen Gemeinschaft haben diese vor Gericht eine Vereinbarung darüber zu schließen, in wessen Haushalt das Kind hauptsächlich betreut wird; § 180 Abs. 2 S. 3: Wenn das Gericht beide Eltern mit der Obsorge betraut, hat es auch festzulegen, in wessen Haushalt das Kind hauptsächlich betreut wird.), wobei das dortige Gericht letztlich eine Auslegung der vorgenannten Regelungen dahingehend trifft, dass die Festlegung als Anknüpfungspunkt für andere Rechtsfolgen dient, wie etwa für die Bestimmung als Hauptwohnsitz.
Soweit (hier in Deutschland) in anderen rechtlichen Zusammenhängen die Festlegung des hauptsächlichen Aufenthalts des Kindes bei einem Elternteil unausweichlich ist, steht die Bestimmung des Lebensmittelpunkts eines Kindes regelmäßig vor dem Hintergrund der praktikablen Festlegung öffentlich-rechtlicher Rechtsfolgen und dient hier etwa zur Vereinfachung der Auszahlung öffentlicher Leistungen oder der verlässlichen ordnungsrechtlichen Zuordnung einer Person. Allerdings zeigt schon die – unvollständige – Aufzählung, dass diese Fragen den Rahmen einer gerichtlichen Regelung zum Umgang sprengen dürften. Zugleich zeigt die Komplexität der Problematik, dass die vom Verfasser aufgeworfene Diskussion zu einem Kindesverbund durchaus ihre Berechtigung hat.
Eine zum paritätischen Wechselmodell führende Umgangsregelung steht laut BGH ebenso wie eine gleichlautende Elternvereinbarung mit dem gemeinsamen Sorgerecht im Einklang, zumal wenn beide Eltern gleichberechtigte Inhaber der elterlichen Sorge sind und die im Wechselmodell praktizierte Betreuung sich als eine dementspre...