I. Die bisherige Rechtslage
1. Keine paritätische Betreuung als verfassungsrechtlich gebotener Regelfall
Im Jahr 2015 hat sich das Bundesverfassungsgericht mit dem Wechselmodell befasst:
Sachverhalt: Der Beschwerdeführer (BF) ist Vater eines nichtehelich geborenen Kindes. Kurz nach der Geburt des Kindes erfolgte die Trennung der Eltern. Das Kind lebt im Haushalt der Mutter, die die elterliche Sorge allein ausübt. Anträge des BF zur elterlichen Sorge blieben erfolglos.
Der BF rügt mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen die getroffene Umgangsregelung vor allem, dass die Gerichte ihm kein Wechselmodell eingeräumt haben, und beanstandet auch die derzeitige Gesetzeslage.
Nach Auffassung des BVerfG verstößt die geltende Gesetzeslage nicht gegen Art. 6 Abs. 2 GG.
Das Gericht hat die Frage nach der Rechtsgrundlage für die Anordnung eines Wechselmodells offengelassen. Klar ist jedoch, dass Maßstab einer Entscheidung immer die Grundrechtspositionen der Elternteile und des Kindes wie auch das Kindswohl sein müssen. Daraus folgt für die Gerichte, dass unter dem Aspekt des Kindswohls massive Kommunikationsstörungen gegen ein Wechselmodell sprechen können.
Das BVerfG führt in seiner Begründung u.a. aus:
Zitat
"… Weil das Elternrecht (gem. Art. 6 Abs. 2 GG) beiden Elternteilen zusteht, müssen Regeln den Eltern jeweils Rechte und Pflichten gegenüber dem Kind zuordnen, für den Fall, dass sie sich über die Ausübung ihrer Elternverantwortung nicht einigen können. Diese Regeln müssen sicherstellen, dass sich die Wahrnehmung des Elternrechts am Kindeswohl ausrichtet und bei der Ausübung der Elternverantwortung die Rechte des Kindes Beachtung finden."
Der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 GG für alle Eltern bedeutet nicht, dass alle Mütter und Väter immer die gleichen Rechte im Verhältnis zu ihrem Kind erhalten müssen. Weil die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung nach einer Trennung eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraussetzt und ein Mindestmaß an Übereinstimmung erfordert, obliegt dem Gesetzgeber die Zuordnung bestimmter Rechte und Pflichten auf die einzelnen Elternteile, wenn die Voraussetzungen für eine gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung fehlen … Diesen Gestaltungsspielraum überschreitet der Gesetzgeber nicht dadurch, dass er die Anordnung paritätischer Betreuung nicht als Regelfall vorsieht. Dies folgt nicht aus Art. 6 Abs. 2 GG und der dazu bislang ergangenen Rechtsprechung des BVerfG …“
Hierbei gilt also: Je weniger Übereinstimmung zwischen den Eltern und je weniger soziale Beziehung zwischen dem einzelnen Elternteil und dem Kind, desto größer die gesetzgeberische Gestaltungsbefugnis.
Zitat
"… Ungeachtet der Frage, ob die Regelung der paritätischen Betreuung als Frage der elterlichen Sorge oder als Umgangsregelung einzuordnen ist, könnte über eine paritätische Betreuung des Kindes – die Möglichkeit dieser gesetzlichen Ausgestaltung unterstellt – nur nach der jeweiligen Lage des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Kindeswohls und unter Beachtung der berechtigten Interessen der Eltern und des Kindes sachgerecht entschieden werden. Denn sowohl im Rahmen des § 1671 BGB als auch bei der Anwendung des § 1684 BGB müssen die Fachgerichte die jeweiligen Grundrechtspositionen der Eltern wie auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigen und sich im Einzelfall um eine Konkordanz der verschiedenen Grundrechte bemühen."
Das BVerfG hat also zwar die Möglichkeit der Herstellung eines Wechselmodells bejaht, hierbei aber die Frage nach der rechtlichen Einordnung – elterliche Sorge oder Umgang – offengelassen. Ferner hat das Gericht "Eckpfeiler" für die juristische Argumentation bei der Herstellung eines Wechselmodells gesetzt.
2. Die Meinung von Fachgerichten
Fachgerichte haben jedoch deutliche Bedenken gegen die gerichtliche Anordnung eines Wechselmodells geäußert.
Die Leitsätze des Thüringer Oberlandesgerichts lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig:
Zitat
1. Der gerichtlichen Anordnung eines paritätischen Wechselmodells gegen den Willen eines Elternteils steht – de lege lata – das Fehlen einer Rechtsgrundlage entgegen.
1a. Eine Anordnung in Gestalt einer Umgangsregelung nach § 1684 Abs. 3 S. 1 BGB kommt weder bei wortlautorientierter noch bei teleologischer Gesetzesauslegung in Betracht.
1b. Für eine Analogie zu § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB ist kein Raum, weil die historische Normgenese gegen die Annahme einer Gesetzeslücke spricht.
1c. Die Zuweisung eines periodisch alternierenden Aufenthaltsbestimmungsrechts ist mit der Systematik der in §§ 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 1687 Abs. 1 S. 2 BGB verankerten Wertungen strukturell nicht vereinbar.
2. Es gibt in rechtstatsächlicher Hinsicht derzeit keine hinreichend gesicherten humanwissenschaftlichen Erkenntnisse, wonach die erzwungene Anordnung eines Wechselmodells dem Kindeswoh...