Der Satz in der "Umgangsentscheidung" des Bundesgerichtshofs:
Zitat
"Bei der Festlegung eines bestimmten Betreuungsmodells handelt es sich um eine Frage der tatsächlichen Ausübung der elterlichen Sorge"
könnte andeuten, dass der BGH letztlich ein Wechselmodell sowohl als Umgangsregelung, aber auch als Sorgerechtsregelung als denkbar ansieht. Es bleibt abzuwarten, wann der BGH Gelegenheit erhalten wird, auch die sorgerechtliche Umsetzung des Wechselmodells zu beurteilen.
Derzeit könnten Rechtsanwälte einem Elternteil, der eine Betreuung im Wechselmodell wünscht, zur Einleitung eines Umgangsverfahrens raten, zumal im einstweiligen Rechtsschutz eine Beschwerde nicht eröffnet ist und eine vorläufige Regelung bis zur Hauptsacheentscheidung Wirkung entfaltet (§ 56 Abs. 1 FamFG). Die Frage ist, ob die Gerichte solche Entscheidungen als vorläufige Maßnahmen treffen werden.
Verfassungsrechtlich bedenkliche Ergebnisse sind – wie dargestellt – bei Beachtung des Kindeswohls nicht zu erwarten. In die Überlegungen zur Frage der Herstellung einer paritätischen Betreuung im Vergleich mit anderen Konzepten sollten allerdings neben den vom BGH angeführten Kindeswohlkriterien auch deren hypothetische Folgen für das Kindeswohl bei fortbestehenden Elternkonflikten einbezogen werden.
Noch offen sind aus meiner Sicht jedenfalls noch folgende Problemfelder, die Schwonberg formuliert hat: Wenn das paritätische Wechselmodell durch eine Umgangsregelung etabliert wird, sind dann die auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts gerichteten Anträge abzuweisen? Wurde dem Antrag der Mutter auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts entsprochen und zugleich das Umgangsrecht des Vaters geregelt, reicht dann wegen der mit der Sorgerechtsentscheidung einhergehenden Kompetenzzuweisung eine Abänderung der Umgangsregelung hin zu einem Wechselmodell aus? Auch stellt sich die Frage, ob das in der Entscheidung anklingende Verhältnis von Umgangs- und Sorgerechtsregelung auch für Fälle eines deutlich erweiterten und einer Mitbetreuung angenäherten Umgangs (z.B. Betreuungszeiten von 60:40) gelten soll.
Interessant ist abschließend ein weiterer Blick über den nationalen Tellerrand: So werden z.B. in Kanada vor einer endgültigen Sorgerechtsregelung gerne vorläufige Regelungen getroffen, die das Wechselmodell anordnen. Dies wird damit begründet, dass dort die gesetzliche Forderung nach dem maximalen Kontakt zu beachten ist und zudem vermieden werden soll, für die Hauptsacheregelung ungleiche Ausgangslagen zu schaffen im Sinne eines Präjudiz für den zwischenzeitlich betreuenden Elternteil.
Autor: Thomas Mayer , Richter am AG Rosenheim
FF 10/2018, S. 384 - 389