Dr. Christian Grabow
Die Mitgliederumfrage 2017 unserer Arbeitsgemeinschaft hat gezeigt, dass die Mehrzahl unserer Kolleginnen und Kollegen in kleineren Kanzleien und häufig außerhalb größerer Städte tätig ist. Ob dies in der mittleren und ferneren Zukunft noch der Fall sein wird, erscheint zunehmend fraglich. Ältere Kollegen suchen teilweise vergeblich potentielle Kanzleinachfolger. Jüngere Rechtsanwälte streben in größere Städte und in Kanzleien, in denen sie als Angestellte arbeiten können.
Diese Tendenz ist nicht nur im Familienrecht erkennbar, wie sich im Rahmen einer Konferenz der BRAK ergab (vgl. NJW 20/2018, "Land ohne Anwälte"). Im Gegensatz zur medizinischen Versorgung, bei der Ärzte finanziell mit Praxiszuschüssen unterstützt werden, wenn sie bereit sind, eine Landarztpraxis zu eröffnen oder zu übernehmen, können wir eine derartige Hilfe kaum erwarten.
Es sind aber auch andere Gründe, die es offenbar zum Teil verhindern, familienrechtlichen Nachwuchs zu gewinnen.
In den letzten Jahren haben Themen die Anwaltschaft bewegt, bei denen sich nicht sofort eine Verbindung zum Familienrecht aufdrängt. Zu denken ist an den Datenschutz oder Legal Tech. Wir wissen, dass auch diese Bereiche vor dem Familienrecht nicht Halt machen. Unsere Arbeitsgemeinschaft widmet sich diesen Fragen. So befasst sich die Aktuelle Stunde auf der diesjährigen Herbsttagung in Münster u.a. mit der DSGVO für Familienanwälte.
Trotz der zentralen Bedeutung der Familie für viele gesellschaftliche Bereiche kommt den mit dem Familienrecht zusammenhängenden Fragen meines Erachtens in der Gesamtschau juristischer Diskussionen nicht die Rolle zu, die ihnen gebührt. Nicht selten wird das Familienrecht auf die Ehescheidung verkürzt. Wir wissen, dass wir ein sehr komplexes Fach bearbeiten mit Verbindungen zu anderen Rechtsgebieten. Seit Beginn ihres Bestehens hat die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht das Augenmerk auch auf die Schnittstellenproblematik gerichtet. Hiervon zeugen diverse Seminare sowie Vorträge und Workshops auf den jährlichen Herbsttagungen zu angrenzenden Rechts- und anderen Fachgebieten. Hinzu kommt, dass mit der Einführung des FamFG 2009 dem Familiengericht eine erweiterte Zuständigkeit übertragen wurde.
Die Komplexität des Familienrechtes muss in Ballungszentren ebenso bearbeitet werden wie in Kleinstädten. Wir brauchen deshalb auch dort qualifizierte Familienrichter und Fachanwälte für Familienrecht. Dafür muss das Interesse geweckt werden.
Unverständlich ist es, wenn in der universitären Ausbildung das Familienrecht nur im Rahmen freiwilliger Kurse belegt werden kann. Wenn nicht im Studium das Familienrecht obligatorisch gelehrt wird, bleibt es häufig Zufall, ob ein Referendar in der Anwaltsstation in einer familienrechtlich ausgerichteten Kanzlei arbeitet.
Die Nachwuchsgewinnung für das Familienrecht muss deshalb in der Universität anfangen. Dann erhöht sich auch die Chance, sowohl im richterlichen als auch im anwaltlichen Bereich geeignete Kollegen zu finden, die frei werdende Richterstellen im Familiengericht besetzen und Familienkanzleien übernehmen.
Zusätzlich bleibt es unsere Aufgabe, uns um künftige Kollegen zu bemühen, die im Familienrecht ihren beruflichen Schwerpunkt sehen, indem wir Praktikumsplätze für Studenten und Referendarstationen anbieten.
Diejenigen, die die (vermeintliche) Sicherheit eines Angestelltenverhältnisses der Selbstständigkeit vorziehen, müssen berücksichtigen, dass, wenn alle angestellt sind, es keine Selbstständigen mehr gibt. Auch darüber wurde auf der BRAK-Konferenz gesprochen. Hoffen wir, dass der Ruf gehört wird.
Autor: Dr. Christian Grabow
Dr. Christian Grabow, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Ludwigslust
FF 10/2018, S. 381