Einführung
Nach Vollzug des Brexit und dem Austrittsabkommen vom 24.1.2020, das eine Übergangszeit bis zum 31.12.2020 vorsieht, kann es – und so sieht es derzeit aus – zu einem sog. Hard-Brexit kommen, d.h. ohne ein, auch das Familienrecht betreffendes Abkommen zwischen den verbleibenden 27 EU-Mitgliedstaaten (EU MS 27) und dem Vereinigten Königreich (UK). Von einem solchen Hard-Brexit sind aus familienrechtlicher Sicht ca. 1 Mio. Briten, die in einem Mitgliedstaat der EU leben, sowie ca. 3 Mio. im Vereinigten Königreich (UK) lebende Bürger mit einer Staatsangehörigkeit eines anderen EU Mitgliedstaates einschließlich der unbekannten Zahl an Kindern, die aus diesen Familien hervorgegangen sind, betroffen. Sie fragen sich, was passiert, wenn ihre Ehen und Partnerschaften, gegebenenfalls mit ihren gemeinsamen Kindern, auseinandergehen und Verfahren nach Ablauf des 31.12.2020 einzuleiten sind.
I. Ehescheidungsverfahren sowie Eheaufhebungsverfahren
In Ehescheidungsverfahren sowie Eheaufhebungsverfahren wird nach einem Hard-Brexit die Brüssel IIa-VO zwischen den EU 27 MS und UK nicht mehr anwendbar sein.
1. Internationale Zuständigkeit
Für Fragen der internationalen Zuständigkeit sowie der Anerkennung einer in einem EU 27 MS ausgesprochenen Ehescheidung in UK und umgekehrt wird auf das jeweilige autonome Verfahrensrecht zurückgegriffen werden müssen, soweit dieses durch die Verordnung berufen ist.
Nachdem die Kommission zunächst im Januar 2018 eine erste Bekanntmachung herausgegeben hat, ist nunmehr nach der aktuellen Bekanntmachung vom 27.8.2020 davon auszugehen, hat, dass für alle Verfahren, die nach der Übergangsphase (31.12.2010, 0.00 Uhr) eingeleitet werden, die Zuständigkeitsvorschriften der EU-VOen gegenüber UK wie gegenüber jedem anderen Drittstaat anzuwenden sind.
Da allerdings die Brüssel IIa-VO nur in seltenen Fällen einen Rückgriff auf das autonome Zivilverfahrensrecht, in Deutschland § 98 FamFG, zulässt, wird sich in der Praxis hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit nicht so viel ändern:
Ein britisch/britisches Paar, das in Deutschland lebt (seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat), wird sich weiterhin auf eine internationale Zuständigkeit in Deutschland durchzuführendes Ehescheidungsverfahren berufen können.
Ein deutsch/deutsches in UK lebendes Ehepaar wird weiterhin das Wahlrecht haben, ob in Deutschland oder in UK das Ehescheidungsverfahren durchgeführt wird.
Kritisch werden lediglich die Fälle werden, in denen ein deutsch/britisches Ehepaar zuletzt in der UK gelebt hat, während der Trennung der Beteiligten der britische Partner/Ehegatte in England verblieben und der Ehegatte mit deutscher Staatsangehörigkeit in einen Drittstaat verzogen ist. Dann wird die internationale Zuständigkeit für ein mögliches Ehescheidungsverfahren in Deutschland jetzt auf § 98 FamFG zu stützen sein, und nicht mehr auf Art. 3 Abs. 1 lit. a) 2. Spiegelstrich Brüssel IIa-VO.
Da allerdings die "lis pendens" Vorschriften der Art. 19, 16 Brüssel IIa-VO im Verhältnis UK zu den 27 EU MS nicht mehr gelten werden, wird bei konkurrierender Zuständigkeit, auf § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 261 Abs.3 ZPO analog abzustellen sein. Es kommt damit statt auf die Anhängigkeit des Antrages auf die Rechtshängigkeit des Verfahrens bei dem zuerst angerufenen Gericht an.
Im Ergebnis wird das passieren, was jetzt schon im Verhältnis zwischen Deutschland und Drittstaaten gilt: Der "run to court" wird verstärkt werden. Dies wird insbesondere zwei deutsche Staatsbürger betreffen, die in UK leben bzw. dort ihr "domicile" haben, wenn einer der Ehegatten beabsichtigt, sich in Deutschland scheiden lassen zu möchten.
2. Anerkennung von in der UK ausgesprochenen Ehescheidungen im Inland
Die Anerkennung von in der UK ausgesprochenen Ehescheidung wird nicht mehr dem vereinfachten und standardisierten Anerken...