1. Internationale Zuständigkeit
Soweit es um Kindschaftssachen mit internationalem Bezug geht, wird sich die internationale Zuständigkeit eines Gerichts in der UK für ein Kind, das dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, nicht mehr aus Art. 8 ff. Brüssel IIa-VO ergeben.
Das Haager Überreinkommen 1996 (KSÜ) wird allerdings für die Frage der internationalen Zuständigkeit, der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen hinsichtlich der elterlichen Verantwortung herangezogen werden, jedenfalls im Verhältnis der derzeit 52 Vertragsstaaten untereinander. Im Ergebnis wird UK im Verhältnis zu den 27 EU MS wie z.B. die Russische Föderation, Australien, Georgien, Albanien, Armenien und Serbien behandelt werden.
Die Prorogationsmöglichkeiten des Art. 12 Brüssel IIa-VO werden wegfallen; eine entsprechende Regelung enthält das KSÜ nicht.
Ebenso sieht das KSÜ im Gegensatz zu den entsprechenden Regelungen in der Brüssel IIa-VO keine verfahrensrechtliche "perpetuatio fori" vor, die sich im Anwendungsbereich der Brüssel IIa-VO in der Praxis bewährt hat: Im Anwendungsbereich des KSÜ wechselt die internationale Zuständigkeit im Fall einer rechtmäßigen Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes sofort, Art. 5 Abs. 2 KSÜ.
Und schließlich regelt Art. 10 KSÜ im Gegensatz zu der Brüssel IIa-VO eine Scheidungsannexzuständigkeit mit der Folge, dass UK Gerichte von dieser internationalen Annexzuständigkeit selbst für ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem 27 EU MS ausgehen werden, wenn sie mit der Ehescheidung befasst sind.
2. Anerkennung und Vollstreckung
Soweit es um die Anerkennung und Vollstreckung einer kindschaftsrechtlichen, in UK ergangenen Entscheidung in einem 27 EU MS bzw. umgekehrt geht, werden die Vorschriften über das vereinfachte und standardisierte Anerkennungsverfahren, Art. 21 ff. Brüssel IIa-VO i.V.m. Art. 39 Brüssel II-VO durch die entsprechenden Vorschriften des KSÜ ersetzt:
Entscheidungen aus der UK und damit aus einem Vertragsstaat des KSÜ, der nicht Mitgliedstaat der Brüssel IIa-VO ist, werden zwar gemäß Art. 23 Abs. 1 KSÜ in allen anderen Vertragsstaaten kraft Gesetzes anerkannt, es muss aber zur Vollstreckung eine Vollstreckbarkeitserklärung vorliegen, Art. 26 Abs. 1 KSÜ.
Im Hinblick auf das den Beteiligten zur Verfügung stehende fakultative Anerkennungsfeststellungsverfahren gem. Art. 24 KSÜ besteht im Unterschied zur Brüssel IIa-VO die Möglichkeit, dass das berufene Gericht im Anerkennungsstaat anders als im Anwendungsbereich der Brüssel IIa-VO auch eine Zuständigkeitskontrolle vornimmt, d.h., es ist dem Anerkennungsstaat möglich, die internationale Zuständigkeit des Ursprungsgerichts zu überprüfen, Art. 23 Abs. 2 KSÜ.
Insbesondere im Hinblick auf Umgangsentscheidungen aus UK bedeutet dies für die betroffenen Elternteile eine Verlängerung der Anerkennungsverfahren und damit auch eine Verlängerung der Durchsetzung ihrer ihnen zugesprochenen Rechte.
3. Internationale Kindesentziehung
In Fällen der internationalen Kindesentziehung bleibt es bei den Grundsätzen des Haager Übereinkommens 1980 (HKÜ), allerdings ohne die Modifikationen und Ergänzungen in der Brüssel IIa-VO, dort Art. 11.
Damit gelten insbesondere bei Entführungen aus einem 27 EU MS in UK und umgekehrt nicht mehr der verstärkte Beschleunigungsgrundsatz des Rückführungsverfahrens, der positiv die Rückführungsverfahren innerhalb der EU prägt und das Ziel des HKÜ nach Beschleunigung und schneller Entscheidung im Zufluchtsstaates des Kindes unterstützt.
Die Vorgaben einer notwendigen Kindesanhörung (Art. 11 Abs. 2 Brüssel IIa-VO) sowie der übergeordnete Mechanismus – "last say" des Herkunftsstaates des Kindes – (vgl. Art. 11 Abs. 7 und 8 Brüssel IIa-VO) sind des Weiteren für das Rückführungsgericht in UK nicht mehr relevant.