Eva Becker
Die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im DAV hat das Ziel und die Aufgabe, die Fortbildung zu fördern. Davon haben Sie sicher schon profitiert, wenn Sie unsere mit hervorragenden Referentinnen bestückten Seminare im In- und Ausland besucht haben. Die Themen, die wir Ihnen anbieten, bilden Sie auf allen Gebieten des Familienrechts fort. Von den Grundlagen bis zu vertieftem Spezialwissen ist alles dabei, wie bei unserem 3. Internationalen Familienrechtstag, der am 11./12.2.2022 in Berlin stattfinden wird.
Allen unseren Veranstaltungen ist gemein, dass wir unsere Mitglieder fortbilden. Was wir nicht fortbilden, ist das Familienrecht. Das müssen Land auf Land ab in einem inakzeptablen Maß die Instanzengerichte übernehmen. Grund dafür ist die Weigerung des Gesetzgebers, sich der notwendigen Reform des Familienrechts anzunehmen. Deshalb wird sich das Bundesverfassungsgericht demnächst wieder einmal mit einer zentralen familienrechtlichen Frage zu befassen haben: Kann ein Kind zwei Mütter haben? Die Vorlagen des OLG Celle und des Kammergerichts werden bestenfalls die Frage beantworten, ob die fehlende gesetzliche Regelung einer "Mit-Mutterschaft" die mit der Mutter verheiratete Frau in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt. Mehr nicht.
Es gibt der Schauplätze mehr: Im Kindschaftsrecht führt die Lethargie des Gesetzgebers zu absurden Volten in Rechtsprechung, Literatur und Praxis bei der Frage, in welchem Verfahren – Umgang oder elterliche Sorge – man bei dem Ringen um eine paritätische Betreuung besser aufgehoben ist. Einschneidende Konsequenzen hat das nicht zuletzt für Abänderbarkeit und Rechtsmittel im Eilverfahren. Möglich scheint fast alles, ohne dass man den Ausgang des gewählten Verfahrens vorhersagen könnte. Keine gute Nachricht, weder für die Betroffenen noch für den Rechtsstaat.
Will man vermeiden, dass dem deutschen Familienrecht einmal mehr bescheinigt wird, dass es gegen die EMRK verstößt, wie z.B. bei den Rechten des biologischen, aber nicht rechtlichen Vaters durch den EGMR geschehen, oder dass es gegen das Grundgesetz verstößt, wie es das Bundesverfassungsgericht womöglich bei der Frage nach der Mit-Mutter/Vaterschaft sehen könnte, muss man handeln, und zwar schnell. Das sollte einer neuen Regierung nicht schwerfallen, liegen doch zu jedem denkbaren Gebiet das Ergebnis einer Expertengruppe und zur Mit-Mutterschaft sogar bereits zwei Gesetzesentwürfe vor.
Jetzt geht es darum, "dass sich der Gesetzgeber nicht seiner Verantwortung entziehen darf, sondern dafür Sorge zu tragen hat, dass die Rechtsprechung … über ein aktuelles "Rüstzeug" verfügt, um ihrer Aufgabe gerecht werden zu können. Bei Familien dürfte es auf wenig Verständnis stoßen, wenn gerade ihre Belange nur dann zügig in den Blick genommen werden, wenn wieder einmal das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber dazu anhält." (Vorsitzende des DFGT Prof. Isabell Götz in NZfam 2020, 4). So ist es. Dem Übermaß an, wie Prof. Schwab es nennt (Recht und Familie im Flug der Zeit, S. 161 ff.), normativ verwandten Wirklichkeitsvorstellungen, die Gerichte mangels Reformen an die Stelle von Recht setzen müssen, ist durch eine beherzte Fortentwicklung des Familienrechts durch den Gesetzgeber ein Ende zu bereiten.
Über das neue Recht bilden wir Sie dann gerne wieder fort.
Autor: Eva Becker
Eva Becker, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht, Berlin
FF 10/2021, S. 381