1. Erfolgsaussichten
Die Verfahrenskostenhilfe teilt die Rechtsnatur der Hauptsache, denn sie ist gemäß § 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO (i.V.m. § 76 Abs. 1 bzw. § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG) beim "Prozessgericht" zu beantragen und setzt die Prüfung der Erfolgsaussichten voraus, die bei einer unzulässigen Anspruchshäufung fehlt.
2. Einsichtnahme in die Verfahrenskostenhilfeunterlagen des Gegners
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OLG Köln v. 18.3.2021 – 25 WF 60/21 |
Die Antragstellerin macht Trennungsunterhalt geltend, Der Antragsgegner beantragt Einsicht in die VKH-Unterlagen der Antragstellerin, weil er gegen sie einen Auseinandersetzungsanspruch aus einem Gesellschaftsvertrag in einem anderen Verfahren geltend macht. Das Amtsgericht hat dem Einsichtsantrag stattgegeben. Das OLG hat auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – aufgehoben und der Antrag des Antragsgegners auf Einsicht in die VKH-Unterlagen der Antragstellerin unter Berufung auf die Rechtsprechung des BGH abgelehnt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Gegner des Antragstellers im Verfahrenskostenhilfeverfahren kein Anhörungsrecht bei der vom Gericht neben der Erfolgsaussicht weiter vorzunehmenden Prüfung, ob die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe rechtfertigen. Die Prüfung dieser Voraussetzung ist allein Sache des Gerichts, das nach eigener Beurteilung etwaige zusätzliche Ermittlungen zu führen hat.
An den insoweit fehlenden Verfahrensrechten des Gegners hat auch die Einfügung des zweiten Halbsatzes in § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO durch Art. 29 Nr. 6 des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-RG) vom 17.12.2008 (BGBl I S. 2586) nichts geändert, wonach die Erklärung und die Belege dem Gegner auch ohne Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden können, wenn der Gegner gegen den Antragsteller nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen des Antragstellers hat.
Die eingefügte Bestimmung begründet nach Auffassung des BGH (a.a.O. Rn 19) kein Anhörungs- und auch kein Akteneinsichtsrecht des Gegners, sondern beschreibt die Modalitäten, unter denen die Erklärung und die Belege zugänglich gemacht werden können. Zweck der eingefügten Bestimmung ist, dem Gericht im Interesse der Richtigkeitsgewähr bezüglich der Feststellung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers grundsätzlich die Befugnis zu geben, die Erklärung des Antragstellers dem Gegner zur Stellungnahme zuzuleiten. Unter der Voraussetzung, dass zwischen den Parteien ein materiell-rechtlicher Auskunftsanspruch über Einkünfte und Vermögen besteht, erscheint es verfahrensökonomisch, den Gegner sogleich in das Verfahren einzubeziehen, um etwaige Unrichtigkeiten in der Erklärung so früh wie möglich korrigieren zu können (BT-Drucks 16/6308 S. 325; vgl. auch OLG Koblenz FamRZ 2011, 389; OLG Naumburg, Beschl. v. 20.9.2013 – 8 WF 140/13, juris Rn 10 m.w.N.).
Die Regelung hat daher lediglich objektiv-rechtlichen Charakter. Sie dient allein einer verbesserten Aufklärung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse durch das Gericht im Interesse zutreffender Ergebnisse bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Gewährung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe (vgl. BT-Drucks 16/6308 S. 167, 325). Die Bezugnahme auf bestehende materiell-rechtliche Auskunftsansprüche als Voraussetzung für die Zugänglichmachung der Erklärung dient lediglich der Gewährleistung datenschutzrechtlicher Belange (vgl. BT-Drucks 16/6308 S. 181 f.).
Eine Verbesserung der subjektiven Rechtsstellung des Verfahrensgegners war damit nach Auffassung des BGH jedoch nicht beabsichtigt. Das hätte eine Rechtsnorm erfordert, die nicht nur der Verwirklichung von Gemeinschafts- und Gemeinwohlinteressen dient, sondern zumindest auch bezweckt, Interessen des Einzelnen zu verwirklichen. Die eingefügte Regelung bezweckt dies jedoch nicht (vgl. Schürmann, FamRB 2009, 58, 59; BeckOK ZPO/Reichling, [Stand: 1.12.2020], § 117 Rn 42). Sie dient nicht der Befriedigung von – im Einzelfall streitigen – privatrechtlichen Auskunftsansprüchen der Parteien, sondern nur der verbesserten Amtsaufklärung. Subjektive Ansprüche auf Auskunftserteilung sind weiterhin in einem darauf gerichteten Hauptsacheverfahren geltend zu machen. Sie in das Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren eines anderen Verfahrens zu verlagern, entspricht erkennbar nicht der mit Einfügung des zweiten Halbsatzes in § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO verfolgten Absicht des Gesetzgebers.