1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat Erfolg, wenn eine noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde nicht von vorneherein unzulässig und nicht offensichtlich begründet ist und die Folgenabwägung ergibt, dass die wegen der nachhaltigen Gefährdung des Kindeswohls bei lediglich zeitweiliger Rückführung des Sohnes entstehenden Nachteile überwiegen.

2. Es ist nicht auszuschließen, dass die Fachgerichte Art. 42 Brüssel IIa-VO in einer Weise ausgelegt und angewendet haben, mit der nicht gerechtfertigte Beeinträchtigungen der Grundrechte der Antragstellerin aus Art. 6 Abs. 2 GG und ihres Sohnes aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG einhergehen. Art. 42 Brüssel IIa-VO steht einer Sachentscheidung, die die Grundrechte des Kindes und das am Kindeswohl ausgerichtete Elterngrundrecht berücksichtigt, möglicherweise schon deshalb nicht entgegen, weil die Vorschrift gar nicht anwendbar ist. Dies ist dann der Fall, wenn die Bescheinigung gemäß Art. 42 Brüssel IIa-VO bereits deshalb nicht hätte erteilt werden dürfen, weil der Anwendungsbereich des dort in Bezug genommenen Art. 40 Abs. 1b) Brüssel IIa-VO nicht eröffnet ist.

(red. LS)

BVerfG, Beschl. v. 1.8.2022 – 1 BvQ 50/22 (OLG Bamberg, AG Bamberg)

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