Die neue höchstrichterliche Rechtsprechung zum Minderjährigenunterhalt hat Konsequenzen für die Bedarfsermittlung zum Ehegattenunterhalt. Bedarfsprägender Kindesunterhalt ist bei der Einkommensermittlung beider Elternteile vorab zu berücksichtigen. Der Bedarf bemisst sich beim Kindesunterhalt gem. § 1610 Abs. 1 BGB nach der Lebensstellung des Kindes. Diese leitet es regelmäßig bis zum Abschluss seiner Ausbildung von den Eltern ab. Auch beim Unterhalt minderjähriger Kinder kommt es auf die Lebensstellung beider Eltern an.[62]

Dies gilt auch, soweit das minderjährige Kind im sog. Residenzmodell (§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB) betreut wird. Der Bedarfsbemessung sind daher bei Erwerbstätigkeit beider Elternteile deren anrechenbare Einkünfte zugrunde zu legen.

Der Wohnbedarf eines Kindes ist dementsprechend auch mit 20 % des sich aus dem zusammengerechneten Einkommen beider Elternteile ermittelten Unterhaltsbedarfs festzustellen. Dass der Unterhalt des Barunterhaltspflichtigen auf den Betrag begrenzt ist, den er aufgrund des von ihm allein erzielten Einkommens zahlen müsste, hat auf den Wohnbedarf der Kinder nach ihrem gesamten Barunterhaltsbedarf keinen Einfluss.

Von den Erwerbseinkünften des betreuenden Elternteils ist somit der Barunterhaltsbedarf der Kinder nach den gemeinsamen Einkünften der Eltern abzüglich des hälftigen auf den Barunterhalt entfallenden Kindergelds und abzüglich des vom anderen Elternteil geleisteten Barunterhalts abzusetzen. In dieser Höhe leistet der betreuende Elternteil neben dem Betreuungsunterhalt restlichen Barunterhalt in Form von Naturalunterhalt. Die andere Hälfte des Kindergelds, die der betreuende Elternteil erhält, ist nicht einkommenserhöhend zu berücksichtigen.[63]

[62] BGH, Beschl. v. 16.9.2020 – XII ZB 499/19, NJW 2020, 3721 = FamRZ 2021, 28 Rn 14 zur Fortschreibung der DT.
[63] BGH, Beschl. v. 29.9.2021 – XII ZB 474/20, NJW 2022, 621 = FamRZ 2021, 1965 Rn 32, 34; kritisch dazu Schürmann, FF 2022, 363 ff., und Götz/Seiler FamRZ 2022, 1338.

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