1. Wichtige Änderungen des § 159 FamFG für Kinderschutzverfahren
Die persönliche Anhörung des Kindes und die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks vom Kind sollen einerseits dem Kind als Subjekt in Kinderschutzverfahren rechtliches Gehör verschaffen und andererseits der Sachverhaltsaufklärung und Entscheidungsfindung zum Wohle des Kindes dienen. Gemäß § 159 Abs. 1 und 2 FamFG besteht in Kinderschutzverfahren die Pflicht zur persönlichen Anhörung des Kindes und zur Verschaffung eines persönlichen Eindrucks vom Kind seit der Reform unabhängig vom Alter des Kindes. Damit finden entwicklungspsychologische Erkenntnisse hinreichend Beachtung, nach denen Kinder bereits ab ca. drei Jahren ihre Wünsche, Meinungen und ihren Willen äußern können. Ist das Kind offensichtlich nicht in der Lage, die eigenen Neigungen und den eigenen Willen mitzuteilen, kann das Gericht in Kinderschutzverfahren von der persönlichen Anhörung absehen, nicht aber von der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks, § 159 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, S. 3 FamFG. Hiermit wird einerseits die Bedeutung der Verhaltensbeobachtung des Kindes für die Sachverhaltsermittlung unterstrichen und andererseits das Erfordernis der Ermittlung individueller Belange des Kindes verdeutlicht.
Persönlich bedeutet im Rahmen der Anhörung ein unmittelbares und mündliches Gespräch bei gleichzeitiger Anwesenheit von Gericht und anzuhörendem Kind, sodass z.B. Telefongespräche und Videotelefonie nicht hierunter fallen. Von der persönlichen Anhörung und der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks kann das Gericht nur in den in Absatz 2 abschließend genannten Fällen absehen. Ein solches Absehen muss in der gerichtlichen Endentscheidung begründet werden, § 159 Abs. 3 S. 1 FamFG. Eine der in Absatz 2 genannten Ausnahmen stellt das Vorliegen eines schwerwiegenden Grundes dar (Nr. 1). Liegt dieser darin, dass Gefahr im Verzug besteht, muss das Gericht die persönliche Anhörung oder das Verschaffen eines persönlichen Eindrucks unverzüglich nachholen, § 159 Abs. 3 S. 2 FamFG. Diese Ausnahmeregelung entspricht inhaltlich § 159 Abs. 3 FamFG a.F. Weitere Ausnahmen gibt es in Kinderschutzverfahren, jedenfalls sofern es sich nicht ausschließlich um das Vermögen des Kindes handelt, nicht (vgl. § 159 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 und 4, S. 2 FamFG). Neu ist seit dem 1.7.2021 zudem, dass das Kind im Beschwerdeverfahren stets anzuhören ist, wenn der teilweise oder vollständige Entzug der Personensorge in Betracht kommt, § 68 Abs. 5 Nr. 1 FamFG.
2. Kindesanhörung in Kinderschutzverfahren
Der Termin zur Kindesanhörung wird durch die Richterin oder den Richter durchgeführt und soll dem Kind Gelegenheit zur Äußerung geben, § 159 Abs. 4 S. 2 FamFG. Der Termin soll in Anwesenheit der bestellten Verfahrensbeistandschaft stattfinden, § 159 Abs. 4 S. 3 FamFG; weitere Personen, insbesondere die Eltern, werden vom Gericht meist nicht zur Anhörung zugelassen, um unbefangene Äußerungen des Kindes zu ermöglichen. Die Ausgestaltung der Anhörung steht im Ermessen des Gerichts, § 159 Abs. 4 S. 4 FamFG, wird aber durch das Wohl des Kindes geleitet und begrenzt, weshalb eine positive und geschützte Anhörungsatmosphäre geschaffen werden soll. So sollten äußere Faktoren wie z.B. die Räumlichkeiten und die Gesprächsführung kindgerecht ausgestaltet sein. Eine Pflicht zur Äußerung hat das Kind in keinem Fall. Mit Blick auf die Gesprächsführung hat der Gesetzgeber in den neuen Qualifikationsanforderungen des § 23b Abs. 3 S. 3 GVG insbesondere interdisziplinäre Kenntnisse zur Kommunikation mit Kindern aufgeführt. Eine kindgerechte Durchführung des Anhörungstermins und gute Qualifizierung der Richterinnen und Richter sind wichtig, um Belastungen für das Kind zu vermindern.
Im Anhörungstermin soll das Gericht das Kind altersgemäß und in geeigneter Weise über den Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Kinderschutzverfahrens informieren, sofern dadurch keine gesundheitlichen, erzieherischen oder entwicklungsbedingten Nachteile für das Kind entstehen, § 159 Abs. 4 S. 1 FamFG. Das Gericht sollte das Kind zudem darüber in Kenntnis setzen, dass der wesentliche Inhalt der Anhörung den anderen Beteiligten, insbesondere den Eltern, mitgeteilt wird. Auch sollte dem Kind erklärt werden, dass sein Wille und seine Wünsche gehört und beachtet werden, die Entscheidung selbst aber nicht auf seinen Schultern liegt, sondern dies die Aufgabe des Gerichts ist. Um die Belastung der Anhörung für das Kind so weit wie möglich zu reduzie...