FamFG § 159, BGB § 1666 f.
Leitsatz
1. Gemäß § 159 Abs. 1 FamFG in der ab dem 1.7.2021 anzuwendenden Fassung hat das Familiengericht das Kind persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von dem Kind zu verschaffen. Diese Verpflichtung ist nach der Neuregelung unabhängig vom Alter des Kindes und gilt auch im einstweiligen Anordnungsverfahren. Unbeschadet dessen sind Kinder in einem ihre Person betreffenden Verfahren jedenfalls bereits ab einem Alter von etwa drei Jahren persönlich anzuhören. (Rn 9)
2. Von der persönlichen Anhörung des Kindes kann in einem Kindesschutzverfahren nach §§ 1666 ff. BGB in aller Regel nicht deshalb abgesehen werden, weil das Kind bereits in einem vorangegangenen Umgangsverfahren persönlich angehört wurde. Dies gilt umso mehr, wenn diese Anhörung nicht vom selben erkennenden Gericht durchgeführt wurde (Rn 13).
OLG Saarbrücken, Beschl. v. 18.2.2022 – 6 F 5/22 (AG Homburg)
Aus den Gründen
Gründe: I. [1] Aus der rechtskräftig geschiedenen Ehe der Beschwerdeführerin (fortan: Mutter) und des weiteren Beteiligten zu 2. (fortan: Vater) ist die am 13.9.2015 geborene M. hervorgegangen. Beide Elternteile leben jeweils mit neuen Lebenspartnern und weiteren Kindern – die Mutter mit M.s Halbschwester, die einer früheren Beziehung entstammt, und der Vater mit den Kindern seiner Lebensgefährtin – zusammen. Im selben Haus wie der Vater lebt der Onkel der Mutter, der M. in Zeiten der Abwesenheit des Vaters – zumindest in der Vergangenheit – regelmäßig betreute.
[2] Zwischen den Beteiligten waren und sind vor dem Amtsgericht – Familiengericht – in Homburg weitere das Kind betreffende Verfahren anhängig. Das Verfahren 9 F 226/20 SO endete im Erörterungstermin am 25.9.2020 mit einer Vereinbarung der Kindeseltern, in der diese ihre Einigkeit festhielten, dass M. ihren Lebensmittelpunkt bei der Mutter haben sollte. In dem im November 2020 vom Vater eingeleiteten Umgangsverfahren – 9 F 306/20 UG – mit dem Ziel, ein paritätisches Wechselmodell zu etablieren, trafen die Eltern vor dem Familiengericht am 18.12.2020 eine – nicht gerichtlich gebilligte – Zwischenvereinbarung zum Umgang, wonach (u.a.) der Vater ab dem 25.12.2020 alle vier Wochen von freitags bis mittwochs sowie ab dem 8.1.2021 alle vier Wochen freitags bis donnerstags sein Umgangsrecht ausüben sollte. In diesem Verfahren wurde M. am 23.4.2021 von der damals zuständigen Familienrichterin im Beisein ihres mit Beschl. v. 1.4.2021 bestellten Verfahrensbeistandes persönlich angehört. In einem Ende April 2021 vom Vater eingeleiteten Sorgerechtsverfahren – 9 F 114/21 SO – erstreben die Eltern zuletzt wechselseitig das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht. In den beiden zuletzt genannten Verfahren ordnete das Familiengericht mit Beschlüssen vom 28.6.2021 – im Umgangsverfahren zur Frage der kindeswohlgerechten Ausgestaltung des Umgangs des Vaters und im Sorgerechtsverfahren zur Frage des Aufenthaltsbestimmungsrechts und des zukünftigen Lebensmittelpunkts des Kindes – jeweils die Einholung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens an und bestellte die Dipl. Psych. S. zur Sachverständigen. Die Begutachtungen sind noch nicht abgeschlossen.
[3] Auf eine Mitteilung des – auch im letztgenannten Sorgerechtsverfahren bestellten – Verfahrensbeistandes an das Familiengericht vom 22.11.2021, wonach gehäuft sexualisierte Verhaltensweisen des Kindes beobachtet worden seien, hat das Familiengericht von Amts wegen das vorliegende Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz eingeleitet und mit Beschl. v. selben Tage den Verfahrensbeistand auch in dieser Sache bestellt. Thematisiert wurde – auch im folgenden Erörterungstermin, an dem die Eltern, der Verfahrensbeistand und die Vertreterin des Jugendamts teilnahmen – insbesondere, dass M. sich Ende 2019 in der Badewanne einen Schnuller vaginal eingeführt habe, dass sie sich nur mit einem Nachthemd ohne Unterwäsche bekleidet mit dem Unterleib am Schoß eines beim Vater auf Besuch befindlichen Bekannten gerieben habe, dass sie im Rahmen eines Fingerspiels geäußert habe, die Mittelfinger sähen aus wie zwei Penisse, dass sie ein von ihr so bezeichnetes "Popo-Stöckchen" gebastelt, dass sie gemeinsam mit einem anderen Kind Nacktbilder – von sich in eindeutiger Pose, etwa mit gespreizten Beinen – gefertigt habe, dass sie nach dem Duschen den Penis des Vaters angefasst und darauf angesprochen dem Vater erzählt habe, dass sie das beim Lebensgefährten der Mutter auch mache, der da nichts sage und den das kitzele, und dass sie über Schmerzen an der Scheide geklagt und dort und am After auch Rötungen und Schwellungen gehabt habe.
[4] Durch den angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht – aufgrund der mündlichen Erörterung vom 3.12.2021 – der Mutter ab dem 6.12.2021 untersagt, Umgang zwischen dem Kind und ihrem Lebensgefährten zu ermöglichen oder zu dulden (Ziffer 1) sowie während des Umgangs mit ihrem Kind in ihrer Wohnung ihrem Lebensgefährten die Nutzung der Wohnung oder den Aufenthalt dort zu ermöglich...