Teil 1
Einführung
Seit der zum 1.1.2008 in Kraft getretenen grundlegenden Reform durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts ist eine weitere gesellschaftliche Entwicklung eingetreten, die gegenwärtig schon die Gerichte beschäftigt, aus Gründen der Rechtssicherheit aber auch eine erneute Reform erfordert.
Des betrifft zunächst den Kindesunterhalt und insoweit die Bemessung des Unterhaltsbedarfs der Kinder sowie die anteilige Unterhaltspflicht der Eltern, insbesondere in Fällen eines erweiterten Umgangsrechts. Zudem ist es – auch mit Blick auf die Rechtsprechung des BVerfG – geboten, den nachehelichen Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB) und den Betreuungsunterhalt aus gemeinsamer Elternschaft (§ 1615l BGB) hinsichtlich der Dauer zusammenzuführen und in einer einheitlichen Vorschrift zu regeln. Problematisch erscheint allerdings die Forderung nach einer Angleichung der Höhe dieser Ansprüche, insbesondere danach, auch den Betreuungsunterhalt ohne Ehe auf der Grundlage gemeinsamer Lebensverhältnisse zu bemessen. Auch gegen eine Verordnungsermächtigung zur Festlegung des notwendigen Selbstbehalts bestehen erhebliche Bedenken.
A. Kindesunterhalt unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Betreuungsmodelle
I. Aktuelle Rechtslage
1. Residenzmodell
Nach der gesetzlichen Regelung in § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB hat bei zwei unterhaltspflichtigen Eltern derjenige Elternteil, der die alleinige Betreuung übernimmt, grundsätzlich seinen Teil der Unterhaltspflicht erfüllt und schuldet daneben keinen weiteren Barunterhalt. Daraus folgt, dass die Betreuungsleistung für das Kind mit dem Barunterhalt gleichwertig ist. Bei der Bemessung nachrangiger Unterhaltspflichten ist allerdings zu beachten, dass der Betreuungsunterhalt nicht in monetärer Form geschuldet und deswegen bei der Ermittlung des unterhaltsrelevanten Einkommens des betreuenden Elternteils nicht zu berücksichtigen ist. Nur dann, wenn für die Betreuung Geldleistungen an Dritte geschuldet sind, beeinflussen diese ein unterhaltsrelevantes Einkommen des betreuenden Elternteils.
Neben dem Bedarf auf Betreuung und auf Barunterhalt steht dem Kind unter besonderen Voraussetzungen ein zusätzlicher Unterhaltsanspruch für einen unregelmäßigen außergewöhnlich hohen Sonderbedarf nach § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB oder als regelmäßiger Mehrbedarf zu. Sind für die Betreuung des Kindes Beiträge für Kinderkrippen, Kindergarten, Kindertagesstätten oder Horte sowie Kosten für Förderunterricht, für besondere Förderung bei künstlerischem Talent oder für die Förderung in einer entsprechenden privaten Einrichtungen zu zahlen, handelt es sich dabei um Mehrbedarf, für den grundsätzlich beide Eltern nach Ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen einzustehen haben (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB); dann könne die Eltern den jeweils von ihnen geschuldeten Anteil bei der Bemessung nachrangiger Unterhaltsansprüche absetzen.
Das Maß des den Kindern geschuldeten Barunterhalts richtet sich als Verwandtenunterhalt gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach der Lebensstellung des bedürftigen Kindes. Allerdings haben Kinder bis zum Abschluss einer Ausbildung regelmäßig noch keine eigene, sondern lediglich eine von ihren Eltern abgeleitete Lebensstellung. Bei sehr beengten Lebensverhältnissen ist jedoch seit Januar 2008 der in § 1612a BGB geregelte Mindestunterhalt zu beachten.
a) Abgeleitete Lebensstellung
Minderjährige Kinder leiten ihren Unterhaltsbedarf regelmäßig von ihren Eltern ab, weil sie bis zum Abschluss einer Ausbildung noch keine eigene Lebensstellung erreicht haben. Diese Lebensstellung des Kindes wurde in der Vergangenheit mit der Unterhaltspflicht des allein barunterhaltspflichtigen Elternteils gleichgesetzt, weil dieser lediglich Unterhalt auf der Grundlage seines unterhaltsrelevanten Einkommens schuldet. Von dieser verkürzten Betrachtungsweise hat der BGH inzwischen Absta...