Einführung
Das Oberlandesgericht Brandenburg hat am 9.5.2023 zu zwei grundsätzlichen Fragen Stellung bezogen:
"Schwiegereltern verbinden mit der Zuwendung im Regelfall nicht die Erwartung einer vieljährigen, sondern die einer dauerhaften Ehe. Die Eingehung einer Ehe wird trotz aller statischen Erkenntnisse regelmäßig mit der Erwartung verbunden, dass diese auf Lebenszeit halten werde."
Zur Frage der Anspruchsverminderung durch Zeitablauf hält das Oberlandesgericht die Methode der linearen Abschreibung für richtig.
Wever hat dem Beschluss in seiner Besprechung mit überzeugenden Argumenten, die auch vom Verfasser des vorliegenden Beitrags vertreten werden, zugestimmt.
Die von Wever erdachte, von ihm als Arbeitskreisleiter vorgetragene und vom Vorstand des Deutschen Familiengerichtstages als Beschlussvorlage übernommene Lösung zur Behandlung der teilweisen Zweckerreichung ist die bislang einzige Methode, welche die Begründung der Geschäftsgrundlage und ihren Wegfall logisch richtig, vollständig und im Verfahren leicht handhabbar erfasst und gleichzeitig Anwendungsraum für alle weiteren Billigkeitskriterien lässt. Die "Methode Wever" findet allmählich Eingang in die OLG-Rechtsprechung. Die wünschenswerte Bestätigung durch den Bundesgerichtshof steht weiterhin aus, nachdem das zugelassene Rechtsbeschwerdeverfahren in vorliegender Sache nicht durchgeführt wurde.
Der Begriff der "Abschreibung" stammt vom Verfasser und hat ebenfalls Eingang in die Literatur gefunden sowie in die Rechtsprechung.
Das Oberlandesgericht hat ferner entschieden, dass Wertsteigerungen, die ein Schenkungs- oder Zuwendungsgegenstand später erfährt, nicht auszugleichen seien, vielmehr beim Empfänger verbleiben. Dieser Beitrag befasst sich erneut kritisch mit dieser Auffassung und hinterfragt die dazu herangezogene sowie anderweitig vorliegende höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung, auch zum Ausgleich gezogener Nutzungen.
I. Vorbemerkung
Die angesprochene Frage betrifft sowohl die ehebezogene Zuwendung als auch die Schwiegerelternschenkung und – bis zum 3.2.2010 (Änderung der BGH-Rechtsprechung) die ehebezogene Schwiegerelternzuwendung, weil diese zwar auf unterschiedlichen Verträgen beruhen (Vertrag über eine Zuwendung bzw. Schenkung), aber jeweils über § 313 rückabgewickelt bzw. ausgeglichen werden. Insofern bestehen im Ergebnis keine Unterschiede.
II. Wertsteigerungen
1. Der Tatbestand und die Entscheidung des Verfahrens des Oberlandesgerichts Brandenburg
Die Schwiegermutter hatte dem Schwiegersohn – dessen Ehe mit der Tochter der Schwiegermutter später scheiterte – den Erwerb von Grundbesitz finanziert. Nach der Schenkung – bis zum Ehescheitern – stieg der Wert der Immobilie, wohl aufgrund der allgemeinen Preisentwicklung.
Das Oberlandesgericht ließ bei seiner Entscheidung die Wertsteigerung unberücksichtigt und lehnte einen diesbezüglichen Ausgleichsanspruch ab: "Ausgangspunkt für die Bemessung der Höhe der Ausgangsanspruchs ist der Wert der Zuwendung im Zeitpunkt der Zuwendung. Etwaige Wertsteigerungen … sind nicht zu berücksichtigen; diese kommen dem Zuwendungsempfänger zugute (BGH, Urt. v. 7.9.2005 – XII ZR 316/02, FamRZ 2006, 394 …".
2. Mögliche Ursachen für Wertsteigerungen
Möglichkeit 1: Die Wertsteigerung wurde vom Zuwendenden generiert. Beispiel: M überträgt F ein Haus. Zu einem späteren Zeitpunkt finanziert er ihr einen Anbau. Der Gesamtwert steigt um 100000EUR.
Lösung: Es handelt sich um eine weitere Zuwendung. Mehrere Zuwendungen werden nicht als Gesamtleistung behandelt. Die Zuwendungen werden separat ausgeglichen. Jede einzelne ist darzulegen und zu beweisen.
Möglichkeit 2: Die Wertsteigerung wurde vom Zuwendungsempfänger generiert. Beispiel: M überträgt F ein Haus. Zu einem späteren Zeitpunkt errichtet F auf eigene Kosten einen Anbau. Der Gesamtwert steigt um 100000EUR.
Lösung: Es fehlt bereits an einer Zuwendung des M an F.
Variante: F errichtet den Anbau in dilettantischer Eigenleistung. Der Wert steigt nicht.
Lösung: Auch hier fehlt es an einer Zuwendung des M. Wenn M das Objekt dinglich zurückfordert fragt sich, ob F ihr wirtschaftlich wertloses Engagement geltend machen kann.
Möglichkeit 3: Die Wertsteigerung wurde weder vom Zuwendenden noch vom Zuwendungsempfänger generiert. Beispiel: Zugewendetes Ackerland wird zu Bauland. Muss F nur den Wert des Objekts zum Zeitpunkt ...