2.1 EGMR, Entsch. v. 17.10.2023 – Individualbeschwerde Nr. 36647/22
1. Auch wenn die Anordnung eines Umgangs von drei Stunden alle fünf Wochen unter zusätzlicher Einsetzung eines Umgangspflegers eine schwerwiegende Einschränkung des Umgangs darstellt, ist sie sachlich hinreichend gerechtfertigt, wenn sie auf die Erfahrung bei der Umsetzung der erstinstanzlichen Umgangsentscheidung, den ausdrücklichen Wunsch des zwölfjährigen Kindes und ein psychologisches Sachverständigengutachten gestützt wird.
2. Gerichte sind nicht stets verpflichtet, Kinder zur Frage des Umgangs mit einem Elternteil anzuhören, insbesondere wenn sie ihre Entscheidung auf ein Gutachten von psychologischen Sachverständigen stützen können, die direkten Kontakt zu dem Kind hatten.
3. Für die Übertragung der Alleinsorge auf einen Elternteil ist es ausreichend, wenn die Entscheidung am Kindeswohl ausgerichtet ist und sich dabei auf die äußerst konfliktreiche Beziehung der Eltern, denen es an der notwendigen Kommunikationsfähigkeit fehlt, gemeinsam Entscheidungen für das Kind zu treffen, bezieht und das Gericht unter Berücksichtigung des Kontinuitätsprinzips gründlich prüft, welcher Elternteil am besten dafür geeignet ist, die Alleinsorge zu erhalten.
(red. LS)
2.2 OLG Bamberg, Beschl. v. 7.8.2024 – 7 UF 80/24
1. Das Gebot, dass ein zum Umgang berechtigter Vater während des Umgangs in Gegenwart der Kinder nicht in seiner Wohnung rauchen darf, kann nicht auf § 1684 Abs. 2 oder 3 BGB gestützt werden.
2. Als milderes Mittel gegenüber der Einschränkung oder des Ausschlusses des Umgangs kann ein derartiges Gebot nach § 1684 Abs. 4 S. 2 erfolgen, wenn andernfalls das Wohl der Kinder konkret gefährdet wäre. Allein die Feststellung, dass das sog. Passiv-Rauchen grundsätzlich gesundheitsschädigend ist, reicht insoweit allerdings nicht aus.
3. Ob Kinder vor den Gefahren des Passiv-Rauchens auch dann geschützt werden sollen, wenn die Voraussetzungen der §§ 1666, 1684 Abs. 4 BGB nicht vorliegen, muss der Gesetzgeber entscheiden.
2.3 KG, Beschl. v. 20.8.2024 – 16 WF 70/24
Bevor der Rechtspfleger im Hauptsacheverfahren das Ruhen der elterlichen Sorge feststellen und für den im Inland ohne Papiere angetroffenen, minderjährigen unbegleiteten Flüchtling einen Vormund auswählen und bestellen darf, sind das zuständige Jugendamt zu beteiligen, der betroffene Jugendliche anzuhören und es ist zu ermitteln, ob eine vorläufige Inobhutnahme nach § 42a SGB VIII erfolgt ist.
2.4 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.5.2024 – 16 UF 187/23
1. Der Antrag eines Elternteils auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge gemäß § 1671 BGB ist vorrangig zur Prüfung einer Kindeswohlgefährdung gemäß § 1666 BGB, wenn hierdurch eine eventuell zuvor bestehende Kindeswohlgefährdung abgewendet wird.
2. Dabei spielt keine Rolle, ob das Verfahren ursprünglich wegen des Verdachts einer Kindeswohlgefährdung nach § 1666 BGB oder wegen eines Elternantrags nach § 1671 BGB eingeleitet wurde; es handelt sich um ein einheitliches Verfahren.
2.5 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 22.7.2024 – 20 UF 71/24
Die Einleitung eines Abänderungsverfahrens in einer Kinderschutzsache steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, ob hinreichende Anhaltspunkte für eine Abänderung bestehen. Die Prüfung erstreckt sich darauf, ob ein bestimmter Sachverhalt wahrscheinlich ist und dieser nach rechtlicher Würdigung ein Einschreiten erfordert. Fehlt es – wie im vorliegenden Fall – daran, beendet das Gericht seine Vorermittlungen und lehnt die Einleitung eines Verfahrens ab.
2.6 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.6.2024 – 16 WF 51/24
1. Auf eine von den Eltern getroffene Vereinbarung, die im gerichtlichen Sorgerechtsverfahren getroffen und durch gerichtlichen Beschluss gebilligt wurde, ist für ein nachfolgendes Verfahren § 1696 Abs. 1 BGB nicht anwendbar.
2. Eine derartige Elternvereinbarung im Rahmen eines gerichtlichen Sorgerechtsverfahrens, die nicht unter die Legaldefinition der gerichtlich gebilligten Vereinbarung in § 156 Abs. 2 FamFG fällt, ist gleichwohl schützenswert; auch für sie gilt ein erschwerter, dem § 1696 Abs. 1 BGB vergleichbarer Abänderungsmaßstab.