a) Grundsatz
In der bisherigen Rechtsprechung galt der Grundsatz, dass nur in der Ehe angelegte Einkommensminderungen den Bedarf nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB beeinflussen können. Diese Ansicht wird mit der Rechtsprechung zu den wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen aufgegeben. Nachträgliche Einkommensminderungen sind danach aufseiten beider Ehegatten zu berücksichtigen, wobei es gleich ist, wann diese eintreten.
aa) Begründung des BGH
Im Urt. v. 6.2.2008 hat der BGH namentlich entschieden, dass die Unterhaltspflicht für ein Kind aus neuer Ehe sich auf den Bedarf des geschiedenen Ehegatten nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB auswirke. Überholt sei der frühere Ansatz, dass unvorhergesehene Änderungen nach der Trennung nur deswegen grundsätzlich noch die ehelichen Lebensverhältnisse prägen sollten, weil sie – zufällig – noch vor der Rechtskraft des Scheidungsurteils eingetreten seien und deshalb etwa die Unterhaltspflicht für ein Kind aus einer anderen Verbindung, das vor Rechtskraft des Scheidungsurteils geboren sei, bereits als "während der ehelichen Lebensgemeinschaft angelegt" anzusehen sei. Das Unterhaltsrecht wolle den bedürftigen Ehegatten nach der Scheidung wirtschaftlich nicht besserstellen, als er ohne diese stünde. Bei Fortbestehen der Ehe hätte ein Ehegatte die negative Einkommensentwicklung des anderen wirtschaftlich mitzutragen. Es sei nicht einzusehen, warum die Scheidung ihm das Risiko einer solchen – auch vom unterhaltspflichtigen Ehegatten hinzunehmenden – Entwicklung, wenn sie dauerhaft und vom Schuldner nicht vermeidbar sei, abnehmen solle. Nichts anderes könne für sonstige Änderungen der maßgeblichen Verhältnisse gelten, wenn sich dadurch das dem Unterhaltspflichtigen verfügbare Einkommen vermindere. Daher müsse eine Korrektur nicht erst bei der Leistungsfähigkeit, sondern schon bei der Bedarfsbemessung ansetzen.
bb) Eheliche Lebensverhältnisse
Die Ansicht des BGH ist abzulehnen. Die Geburt eines Kindes aus einer neuen Ehe liegt außerhalb des Rahmens der "ehelichen Lebensverhältnisse" der geschiedenen Ehe. Die frühere Rechtsprechung, die die Unterhaltspflicht für das vor der Scheidung geborene Kind zu den ehelichen Lebensverhältnissen rechnete, knüpft nicht an den zufälligen Zeitpunkt der Geburt an. Sie geht vielmehr mit der Erwägung, dass trotzdem eine Versöhnung der Ehegatten nicht ausgeschlossen werden kann, bis an die Grenze dessen, was für den betrogenen Ehegatten zumutbar ist. Zu rechtfertigen ist diese Meinung allenfalls damit, dass eine einfach feststellbare zeitliche Grenze die Praxis erleichtert. Ob diese Begründung ausreicht, erscheint zweifelhaft, insbesondere weil davon auszugehen ist, dass auch die Unterhaltspflicht für den betreuenden nichtehelichen Elternteil des vor der Scheidung geborenen Kindes Auswirkungen auf den Bedarf nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB hat. Die Beteiligung an dieser Unterhaltslast ist für den anderen Ehegatten noch weniger hinnehmbar als an der Unterhaltslast für das Ehebruchskind.
Die Überlegung des BGH, dass der Ehegatte durch die Scheidung nicht wirtschaftlich bessergestellt werden solle und er bei Fortbestand der Ehe die negative Einkommensentwicklung mitzutragen hätte, missachtet den entscheidenden Unterschied: Der Ehegatte, der trotz des Ehebruchs des anderen die Ehe fortsetzt, verzeiht und will mit ihm die Schicksalsgemeinschaft weiterhin teilen. Dagegen wird durch eine Scheidung zum Ausdruck gebracht, dass die Lebensgemeinschaft beendet ist.
Das Urteil des BGH beachtet nicht die Besonderheiten der Ehe im Vergleich zu anderen Verbindungen. Es benachteiligt den geschiedenen Ehegatten sogar gegenüber dem nichtehelichen Elternteil, weil dessen Bedarf von seiner Lebensstellung abhängt (§§ 1615l Abs. 3 Satz 1, 1610 Abs. 1 BGB), die von der des Unterhaltspflichtigen meistens, nach einer neuen Entscheidung des BGH sogar stets, abgesehen vom "Halbteilungsgrundsatz", unabhängig ist. Er muss allenfalls aus Gründen der begrenzten Leistungsfähigkeit mit einer Kürzung seines Anspruchs nach § 1615l BGB rechnen. Der geschiedene Ehegatte muss dagegen bereits beim Bedarf Einbußen hinnehmen und zusätzlich aus Gründen der Leistungsfähigkeit, wenn er mit seinem verminderten Einsatzbetrag mit den vollen Einsatzbeträgen anderer Unterhaltsberechtigter konkurrieren muss (falls er überhaupt einen gleichrangigen Anspruch nach § 1609 BGB hat).
cc) Unerwartete Entwicklung
Bei der Geburt eines Kindes und ähnlichen in der Person begründeten Gründen für eine nachträgliche Einkommensänderung ist das Kriterium der unerwarteten Entwicklung nicht der zutreffende Ansatz. Dieses ist, wie der BGH früher ausgeführt hat, auf vermögensrechtliche Ereignisse zugeschnitten. Es ist menschlich normal und damit zu rechnen, dass vor und auch nach der Scheidung Kinder gezeugt und geboren werden. Es geht vielmehr darum, inwieweit eine Unterhaltspartei die negativen finanziellen Auswirkungen des höchs...