Die Ansicht des BGH ist abzulehnen. Die Geburt eines Kindes aus einer neuen Ehe liegt außerhalb des Rahmens der "ehelichen Lebensverhältnisse" der geschiedenen Ehe. Die frühere Rechtsprechung, die die Unterhaltspflicht für das vor der Scheidung geborene Kind zu den ehelichen Lebensverhältnissen rechnete, knüpft nicht an den zufälligen Zeitpunkt der Geburt an. Sie geht vielmehr mit der Erwägung, dass trotzdem eine Versöhnung der Ehegatten nicht ausgeschlossen werden kann, bis an die Grenze dessen, was für den betrogenen Ehegatten zumutbar ist. Zu rechtfertigen ist diese Meinung allenfalls damit, dass eine einfach feststellbare zeitliche Grenze die Praxis erleichtert. Ob diese Begründung ausreicht, erscheint zweifelhaft, insbesondere weil davon auszugehen ist, dass auch die Unterhaltspflicht für den betreuenden nichtehelichen Elternteil des vor der Scheidung geborenen Kindes Auswirkungen auf den Bedarf nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB hat. Die Beteiligung an dieser Unterhaltslast ist für den anderen Ehegatten noch weniger hinnehmbar als an der Unterhaltslast für das Ehebruchskind.
Die Überlegung des BGH, dass der Ehegatte durch die Scheidung nicht wirtschaftlich bessergestellt werden solle und er bei Fortbestand der Ehe die negative Einkommensentwicklung mitzutragen hätte, missachtet den entscheidenden Unterschied: Der Ehegatte, der trotz des Ehebruchs des anderen die Ehe fortsetzt, verzeiht und will mit ihm die Schicksalsgemeinschaft weiterhin teilen. Dagegen wird durch eine Scheidung zum Ausdruck gebracht, dass die Lebensgemeinschaft beendet ist.
Das Urteil des BGH beachtet nicht die Besonderheiten der Ehe im Vergleich zu anderen Verbindungen. Es benachteiligt den geschiedenen Ehegatten sogar gegenüber dem nichtehelichen Elternteil, weil dessen Bedarf von seiner Lebensstellung abhängt (§§ 1615l Abs. 3 Satz 1, 1610 Abs. 1 BGB), die von der des Unterhaltspflichtigen meistens, nach einer neuen Entscheidung des BGH sogar stets, abgesehen vom "Halbteilungsgrundsatz", unabhängig ist. Er muss allenfalls aus Gründen der begrenzten Leistungsfähigkeit mit einer Kürzung seines Anspruchs nach § 1615l BGB rechnen. Der geschiedene Ehegatte muss dagegen bereits beim Bedarf Einbußen hinnehmen und zusätzlich aus Gründen der Leistungsfähigkeit, wenn er mit seinem verminderten Einsatzbetrag mit den vollen Einsatzbeträgen anderer Unterhaltsberechtigter konkurrieren muss (falls er überhaupt einen gleichrangigen Anspruch nach § 1609 BGB hat).