1. Das Urteil des BGH vom 6.2.2008 – XII ZR 14/06
In dem für die amtliche Sammlung bestimmten Urt. v. 6.2.2008 hat der BGH, entgegen seiner frühere Rechtsprechung, den Unterhalt für ein Kind aus neuer Ehe als bestimmend für den Unterhalt des geschiedenen Ehegatten nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB) erachtet und dabei seine neuere Rechtsprechung zu den wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen zusammengefasst.
Leitsatz a): Bei der Bemessung des Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB) sind spätere Änderungen des verfügbaren Einkommens grundsätzlich zu berücksichtigen, und zwar unabhängig davon, wann sie eingetreten sind, ob es sich um Minderungen oder Verbesserungen handelt oder ob die Veränderung aufseiten des Unterhaltsverpflichteten oder des Unterhaltsberechtigten eingetreten ist.
Leitsatz b): Das Unterhaltsrecht will den geschiedenen Ehegatten nicht besser stellen, als er während der Ehe stand oder auf Grund einer absehbaren Entwicklung ohne die Scheidung stehen würde. Daher sind nur solche Steigerungen des verfügbaren Einkommens zu berücksichtigen, die schon in der Ehe angelegt waren, nicht aber z.B. ein Einkommenszuwachs infolge eines Karrieresprungs.
Leitsatz c): Die Berücksichtigung einer nachehelichen Verringerung des verfügbaren Einkommens findet ihre Grenze erst in der nachehelichen Solidarität. Nur bei unterhaltsrechtlich leichtfertigem Verhalten ist deswegen von einem fiktiven Einkommen auszugehen. Diese Voraussetzung liegt nicht vor, wenn ein Unterhaltsschuldner Kinder aus einer neuen Beziehung bekommt. Daher ist in solchen Fällen von den tatsächlichen Verhältnissen auszugehen und auch die neue Unterhaltspflicht bei der Bemessung des nachehelichen Unterhalts zu berücksichtigen.
2. Unterschied zur früheren Ansicht
Der BGH weicht von seiner früheren Rechtsprechung insofern ab, als Einkommensminderungen aufseiten beider Ehegatten, ohne dass sie in der Ehe angelegt sein müssen, insbesondere neue Unterhaltspflichten, die ehelichen Lebensverhältnisse im Sinne von § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB prägen sollen.
3. Zeitpunkt der Rechtsprechungsänderung
Der BGH begründet seine Entscheidung vom 6.2.2008 damit, dass dem nachehelichen Unterhaltsrecht, wie er in seiner neueren Rechtsprechung wiederholt betont habe, keine Lebensstandartgarantie entnommen werden könne. Deswegen seien spätere Einkommensänderungen bei der Bemessung des nachehelichen Unterhalts grundsätzlich zu berücksichtigen. Bevor auf die in Bezug genommenen Urteile eingegangen wird, ist auf einen verfahrungsrechtlichen Gesichtspunkt hinzuweisen.
Wenn der BGH seine Rechtsprechung ändert, führt dies zu einer neuen Rechtslage. Darauf kann die Abänderungsklage nach § 323 ZPO gegen ein Urteil oder gegen einen gerichtlichen Vergleich gestützt werden, aber nur für die Zeit ab Verkündung des maßgebenden Urteils. Im entschiedenen Fall der Abänderung eines gerichtlichen Vergleichs und einer Jugendamtsurkunde hat der BGH das Berufungsurteil aus mehreren Gründen aufgehoben. Es bleibt unklar, ab welchem Zeitpunkt die geänderte Rechtsprechung über die Berücksichtigung von nachträglichen Einkommensminderungen beim Bedarf gelten soll, ab Verkündung des Urteils vom 6.2.2008 oder einer früheren Entscheidung.