Die Entscheidung ist für die amtliche Sammlung vorgesehen; ihre Bedeutung muss von daher nicht gesondert betont werden. Für die Praxis sind mehrere Aussagen von Bedeutung.

1. Zum Bedarf verweist der BGH zunächst auf seine neue Rechtsprechung zu den "wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen".[1] Danach sind spätere Änderungen des verfügbaren Einkommens des Schuldners grundsätzlich schon bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu berücksichtigen, und zwar unabhängig davon, wann sie eingetreten sind, ob es sich um Verringerungen oder Verbesserungen handelt oder ob die Veränderung auf Seiten des Schuldners oder der Gläubigerin eingetreten ist. Die Berücksichtigung einer nachehelichen Verringerung des verfügbaren Einkommens findet ihre Grenze erst in der nachehelichen Solidarität. Fiktives Einkommen ist nur bei einem unterhaltsrechtlich vorwerfbaren Verhalten anzusetzen, welches nicht vorliegt, wenn ein geschiedener Unterhaltsschuldner eine neue Familie gründet und daraus neue Kinder hervorgehen. Die entsprechende Unterhaltspflicht wirkt sich auf den Bedarf des geschiedenen Ehegatten aus, ohne dass es insoweit auf den Rang der Unterhaltsansprüche ankäme.

2. Auch wenn sich der Anspruch auf Familienunterhalt nach Ansicht des BGH nicht ohne weiteres nach den zum Trennungs- oder nachehelichen Unterhalt entwickelten Grundsätzen bestimmen lässt, richtet sich jedenfalls sein Maß aber ebenfalls nach den "ehelichen Lebensverhältnissen", so dass § 1578 BGB als Orientierungshilfe herangezogen werden kann. Nach Ansicht des BGH ist es unbedenklich, den Anspruch auf Familienunterhalt im Falle der Konkurrenz mit anderen Unterhaltsansprüchen auf die einzelnen Familienmitglieder aufzuteilen und in Geldbeträgen zu veranschlagen. Die verschiedenen Unterhaltsansprüche beeinflussen sich wechselseitig. Dass hier vom BGH im Ergebnis nicht zwischen den verschiedenen Anspruchsarten differenziert wird, vereinfacht die Berechnung. Hilfreich für die Praxis sind die im Urteil enthaltenen Berechnungsbeispiele.

3. Aus dem Umstand, dass bei der Bemessung der Ansprüche des geschiedenen und des neuen Ehegatten der Halbteilungsgrundsatz zu beachten ist, folgt nach Ansicht des BGH nicht, dass dem Schuldner stets die Hälfe seines eigenen Einkommens verbleiben müsse, während sich die beiden Unterhaltsberechtigten die weitere Hälfte zu teilen hätten. Vielmehr ist hier die Anzahl der Berechtigten von Bedeutung. Sofern – wie in der Praxis nicht selten – vom Schuldner neben Unterhalt für ein eheliches Kind und die geschiedene Ehefrau auch Unterhalt für einen neuen Ehegatten zu entrichten ist, führt der Halbteilungsgrundsatz dazu, dass dem Schuldner ein Drittel seines unterhaltsrelevanten Einkommens verbleiben muss, während sich der Bedarf eines jeden unterhaltsberechtigten Ehegatten ebenfalls mit einem Drittel bemisst. Diese Dreiteilung ist auch dann geboten, wenn – wie im entschiedenen Fall – einer oder beide unterhaltsberechtigte Ehegatten eigene Einkünfte erzielen. Dieses Einkommen ist zu berücksichtigen, weil der Berechtigte anderenfalls – unter Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz – mehr erhielte, als dem Schuldner nach seinen Unterhaltsleistungen an den geschiedenen und den neuen Ehegatten verbleibt. Dem Schuldner muss man immer zumindest den Betrag belassen, der dem Bedarf jedes Unterhaltsberechtigten entspricht. Ausnahmen von der Dreiteilung sind bei unterschiedlicher Rangfolge der Ansprüche (§ 1609 Nr. 2, 3 BGB) nicht schon im Rahmen der Bedarfsbemessung, sondern erst im Rahmen der Leistungsfähigkeit geboten und wirken sich nur dann aus, wenn ein Mangelfall vorliegt.

4. Zur Berücksichtigung des Splittingvorteils der neuen Ehe stellt der BGH klar, dass seine frühere Rechtsprechung auf der isolierten Betrachtung des Unterhaltsbedarfs eines geschiedenen und eines neuen Ehegatten beruht hat, woran jetzt nicht mehr festgehalten werden kann. Andererseits führt die jetzt geänderte Ansicht nach Auffassung des BGH nicht dazu, dass der neuen Ehe der ihr zustehende steuerrechtliche Vorteil entzogen wird. Infolge des Splittingvorteils steigt auf Grund der Wiederheirat zwar das Nettoeinkommen des Schuldners an; andererseits führt der zusätzliche Unterhaltsbedarf des neuen Ehegatten zu einer Kürzung des Unterhaltsbedarfs des geschiedenen Ehegatten. Der im Verhältnis zum neuen Ehegatten zu berücksichtigende Splittingvorteil nimmt deshalb im Ergebnis nur die Kürzung des Unterhaltsanspruchs des geschiedenen Ehegatten teilweise zurück. Dass der geschiedene Ehegatte keinen höheren Unterhalt beanspruchen kann, als er ihn ohne die neue Ehe des Schuldners hätte,[2] ist in besonders gelagerten Fällen, in denen der neue Ehegatte (wegen eigener Einkünfte) keinen oder nur einen sehr geringen Unterhaltsbedarf hat, durch eine Kontrollberechnung sicherzustellen. Diese geänderte Auffassung des BGH zum Splittingvorteil ist nur konsequent angesichts seiner aktuellen Rechtsprechung zu den "wandelbaren" ehelichen Lebensverhältnissen.

5. Im ...

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