Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Entscheidung in FamRZ 2006, 1842 veröffentlicht ist, ist die Abänderungsklage ohne die Zeitschranke des § 323 Abs. 3 ZPO auch rückwirkend zulässig. Die Klage sei teilweise begründet, weil nach Abschluss des Vergleichs weitere vor- oder gleichrangige Unterhaltsberechtigte hinzugekommen seien. Der Vergleich sei deswegen nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage an die veränderten Umstände anzupassen.

Die Frage nach einer Befristung oder Kürzung des Unterhaltsanspruchs gem. den §§ 1573 Abs. 5, 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. stelle sich nicht. Denn die Parteien hätten sich in Kenntnis aller Umstände auf eine unbefristete Unterhaltszahlung geeinigt, was unverändert Bestand habe.

Allerdings seien nunmehr die hinzugekommenen Unterhaltspflichten des Beklagten gegenüber seinem Kind und seiner neuen Ehefrau zu berücksichtigen. Weil das Unterhaltsrecht keine dauernde Lebensstandardgarantie gewährleiste, wirke sich ein sinkendes Einkommen des Unterhaltspflichtigen unmittelbar auf den Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen aus. Das sei auf alle sonstigen Veränderungen übertragbar, die das Einkommen des Unterhaltsschuldners beeinflussten, wie das Hinzutreten weiterer vor- oder gleichrangiger Unterhaltsberechtigter. Weil solche weiteren Ansprüche das Einkommen in gleicher Weise beeinflussten wie andere unumgängliche Verbindlichkeiten, berührten sie nicht nur die Leistungsfähigkeit, sondern wirkten sich direkt auf den Unterhaltsbedarf der Beklagten aus.

Dies treffe zweifelsfrei auf den nunmehr zu zahlenden Kindesunterhalt zu, weil die Tochter S. ausweislich der Geburtsurkunde vom Kläger abstamme. Unerheblich sei, dass das Kind bereits vor Abschluss des Vergleichs geboren sei und damals schon ein materiell-rechtlicher Anspruch bestanden habe. Entscheidend sei vielmehr die unstreitige Tatsache, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses noch nicht auf Unterhalt in Anspruch genommen worden sei und auch keine Leistungen erbracht habe. Nach ständiger Rspr. bleibe ein bestehender Anspruch so lange unberücksichtigt, wie er nicht geltend gemacht werde. Es sei dem Kläger nicht anzulasten, wenn er einen nur potenziellen Anspruch nicht in das ursprüngliche Verfahren eingeführt habe. Dadurch sei er nicht gehindert, diesen Anspruch dem Unterhaltsanspruch der Beklagten noch nachträglich entgegenzuhalten.

Dies gelte im Ergebnis auch für den Unterhaltsanspruch der neuen Ehefrau des Klägers. Deren Unterhaltsbedarf trete gleichrangig neben den Anspruch der Beklagten aus § 1573 Abs. 2 BGB. Im Hinblick auf das Alter des Kindes von weniger als drei Jahren bestehe kein Zweifel, dass der Mutter ein Anspruch aus § 1570 BGB zustünde. Der sich aus § 1582 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. ergebende Gleichrang der Ansprüche werde nicht dadurch beseitigt, dass die bis zur Zustellung des Scheidungsantrags mehr als 24 Jahre andauernde Ehe als lang i.S.d. § 1582 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. zu beurteilen sei. Ein solches Normenverständnis würde dem auf Art. 6 GG beruhenden Schutz von Ehe und Familie nicht gerecht und hätte die Verfassungswidrigkeit der Norm zur Folge. Es sei nicht gerechtfertigt, jedem Anspruch auf nachehelichen Unterhalt allein auf Grund des Zeitablaufs und unabhängig von dessen Stellenwert den Vorrang vor jedem nachfolgenden Anspruch zuzubilligen. Mit dem durch Art. 6 GG gewährleisteten Schutz der neuen Familie sei es unvereinbar, wenn § 1582 Abs. 1 BGB a.F. in dem Sinne anzuwenden wäre, dass bei einer nur nach dem Zeitablauf langen Ehe jeder Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten einen auf Kinderbetreuung gestützten Anspruch verdränge. Dies entspreche nicht dem Stellenwert, der dem Anspruch auf Betreuungsunterhalt aus § 1570 BGB sachlich zukomme. Dieser Unterhaltsanspruch eines Kinder betreuenden Elternteils werde in erster Linie von dem Bedarf des Kindes auf Pflege und Erziehung getragen und sei aus diesem Grunde in jeder Hinsicht privilegiert. Nach höchstrichterlicher Rspr. gehöre dieser Anspruch in den Kernbereich des unverzichtbaren Scheidungsfolgenrechts. Demgegenüber komme einem Anspruch auf Aufstockungsunterhalt der geringste Stellenwert zu. Er solle dem Ehegatten den sog. vollen Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen sichern. Eine daraus folgende Lebensstandardgarantie stehe allerdings im Gegensatz zu dem sonst das Unterhaltsrecht beherrschenden Prinzip der Eigenverantwortung. Um diesem Grundsatz ein stärkeres Gewicht zu verleihen, habe der Gesetzgeber die Möglichkeit einer Befristung dieses Anspruchs eingeführt, was auch nach mehr als 20-jähriger Ehe möglich sei. Auch dies zeige, dass es sich bei dem Anspruch aus § 1573 Abs. 2 BGB um ein gegenüber allen anderen Anspruchsgrundlagen deutlich schwächer ausgestaltetes Recht handele. Die Ehedauer allein könne kein schützenswertes Vertrauen auf den unveränderten Bestand ...

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