1. Es erscheint angesichts der grundlegenden Erörterungen in dieser Entscheidung erforderlich zu sein, die wesentlichen Motive des Gesetzgebers für die Gesetzgebung zur Unterhaltsrechtsänderung im Jahre 2007 zu rekapitulieren.
Durch das UÄndG 2007 hat der Gesetzgeber insbesondere die Ziele verfolgt, der geänderten Wirklichkeit vermehrter Scheidungen und Eingehung von Zweitehen sowie dem Wertewandel hin zu mehr Eigenständigkeit in der Ehe und Eigenverantwortung in und nach der Ehe Rechnung zu tragen. Es sollte also die Eigenverantwortung gestärkt werden und es sollten auch das Eingehen einer zweiten Ehe und die damit häufig einhergehende Familiengründung erleichtert werden. Letzteres Ziel sollte vor allem durch die Schaffung von weiteren Möglichkeiten zur zeitlichen Begrenzung von nachehelichen Unterhaltsansprüchen und solchen der Höhe nach erreicht werden. Dabei stellte der Gesetzgeber für eine Verteilung von Einkommen des Unterhaltsschuldners auf die Berechtigten auf deren Schutzwürdigkeit ab, wies Berechtigten, die Kinder des Pflichtigen betreuen, die größte Schutzbedürftigkeit zu, dann aber auch Ehegatten nach langer Ehe bei Vorliegen ehebedingter Nachteile.
Deutlich hat der Gesetzgeber allerdings darauf hingewiesen, dass die Ehegatten in der Ausgestaltung ihrer Ehe frei seien. Diese Freiheit sei durch Art. 6 GG ebenso geschützt wie die nacheheliche Solidarität, die Ehegatten voneinander erwarten dürfen und die u.a. in dem Bestehen von Unterhaltsansprüchen nach Scheidung ihren Ausdruck finde.
Die Verstärkung der Eigenverantwortung nach Scheidung werde durch die Neufassung des § 1569 BGB sowie die Möglichkeiten, nacheheliche Unterhaltsansprüche zeitlich und der Höhe nach zu begrenzen, zum Ausdruck gebracht. Die Anforderungen an Unterhaltsgläubiger, nach Scheidung eine Erwerbstätigkeit wieder aufzunehmen, werden erhöht.
2. Der BGH übersieht in seiner Entscheidung, dass das BVerfG bereits im Jahre 2003 in seiner Entscheidung zum Splittingvorteil der neuen Ehe klargestellt hat, eine Ehe sei nicht durch die Eingehung einer weiteren Ehe nach Scheitern der ersten geprägt. Außerdem hat das BVerfG in dieser Entscheidung deutlich darauf hingewiesen, dass der "Gesetzgeber einer bestehenden Ehe Vorteile einräumen dürfe, die er einer geschiedenen Ehe vorenthält" “. Einerseits kann also eine neue Ehe und können die damit verbundenen neuen Unterhaltsansprüche die vorherige Ehe nicht prägen; zum anderen kann eine geringere Gewichtung des Schutzes eines geschiedenen Ehegatten gegenüber dem eines verheirateten durchaus sachlich gerechtfertigt sein.
Ausgehend von diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben weist auch der BGH ausdrücklich auf die Möglichkeit der Ungleichbehandlung von geschiedener und aktueller Ehe hin. Daraus ergeben sich dann allerdings andere Konsequenzen als diejenigen, die in der zu kommentierenden Entscheidung gezogen werden:
a) Zunächst findet sich kein Anhalt dafür, dass die Ehegatten in der Zweitehe einer durch die Unterhaltspflicht des einen Ehegatten gegenüber einem geschiedenen Ehegatten vermittelten Einschränkung ihrer Wahl der Rollenverteilung unterlegen sind.
Wie sich aus der unter Ziff. II. 1. dargestellten Begründung des UÄndG 2007 ergibt, ist die Rollenwahl frei und durch Art. 6 GG geschützt. Zwar kam der früheren Ehe dieselbe Freiheit zu, so dass insoweit eine Gleichbehandlung geboten ist; aber die frühere Ehe besteht nun nicht mehr und ist demgemäß als solche nicht mehr zu schützen. Lediglich die nachwirkende eheliche Solidarität unterliegt dem Schutz des Art. 6 GG. Hier stellt sich die unterschiedliche Schutzbedürftigkeit des geschiedenen gegenüber dem verheirateten Ehegatten dar, mithin gibt es einen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung eines geschiedenen Ehegatten gegenüber einem verheirateten.
Dieser Vorgabe entspricht auch die Regelung in § 1356 Abs. 2 S. 2 BGB. Die Vorschrift war schon vor dem Inkrafttreten des UÄndG 2007 restriktiv auszulegen. Es bestand ein Recht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, nicht eine Pflicht dazu. Eine Ausnahme und damit eine Pflicht zur Erwerbstätigkeit gegenüber dem anderen Ehegatten konnte sich lediglich im Falle der Not ergeben. Nach neuem Recht hat sich daran nichts geändert. Eine Pflicht zur Erwerbstätigkeit kann sich lediglich aus dem Bestehen von Unterhaltspflichten des jeweils betroffenen Ehegatten ergeben, wie in den sog. "Hausmannfällen"“, bei denen eine gesteigerte Unterhaltsverpflichtung nach § 1603 BGB besteht, die die freie Rollenwahl in der neuen Ehe einschränkt. Dieses Rücksichtnahmegebot zugunsten von Kindern aus einer vorhergegangenen Ehe kann aber unter Umständen auch in dieser Konstellation zurückstehen hinter dem Recht zur freien Rollenwahl in der neuen Ehe, wenn nämlich wirtschaftliche oder sonstige Gründe bestehen, die einen erkennbaren Vorteil für die neue Familie bringen und daher den Rollenwechsel als gerechtfertigt erscheinen lassen. So stark ist der Schutz der neuen Ehe und das daraus fl...