a) Ausgangssituation
Ehefrau 47 Jahre, ohne Ausbildung
Ehemann 52 Jahre, Beamter
Kinder: 21 Jahre weiblich, Studentin, 24 Jahre weiblich, Studentin
Die Eheleute lebten bereits getrennt im gemeinsamen Hausanwesen in zwei abgetrennten Wohnungen.
b) Mediation
Die Ehepartner strebten eine vollständige Regelung ihrer familiären Situation an. Dazu gehörten sowohl der Ehegattenunterhalt wie auch eine Regelung zum Vermögen und zum Hausanwesen. Die sich zwangsläufig durch die Ausbildung der Kinder ergebenden wirtschaftlichen Veränderungen und auch mögliche Einnahmen der Ehefrau ließen erkennen, dass die Unterhaltszahlungen immer wieder angepasst werden müssen. Ziel der Ehepartner war es, ein Berechnungsmodell zu bekommen, um in der Lage zu sein, die Veränderungen selber einvernehmlich regeln zu können. Da die Ehefrau keine abgeschlossene Berufsausbildung hat und das Ehepaar im ländlichen Raum lebt, war es der Ehefrau bislang nicht gelungen, eine adäquate Arbeit zu erhalten, die einen Teil ihres Lebensunterhaltes abdeckt. Sie hatte lediglich zwei kleine "Nebenjobs". Im Laufe der Mediation wurde das Thema Arbeitspflicht und -möglichkeit immer wieder bearbeitet. Da die Ehefrau ihre Position, es gelänge ihr nicht, Arbeit zu finden, nur schwer aufgeben konnte, wurde mit den Parteien vereinbart, dass jeder eine anwaltliche Beratung über die Frage der Arbeitspflicht in Anspruch nimmt.
c) Zwischengeschaltete anwaltliche Beratung
In der anwaltlichen Beratung hat die Ehefrau erfahren, dass sie fiktiv Einkommen zugerechnet erhält, wenn Sie keine Arbeit aufnimmt, und dass sie gegebenenfalls auch verpflichtet ist, den Wohnsitz zu wechseln. Die Höhe des fiktiv zuzurechnenden Einkommens wurde beiden Parteien in der anwaltlichen Beratung unterschiedlich angegeben, die Ehefrau erhielt die Auskunft 700 EUR/mtl. und der Ehemann 1.000 EUR/mtl.
d) Fortgang der Mediation
Nach den anwaltlichen Beratungen konnten die Parteien in der Mediation konstruktiv über Lösungen verhandeln. Die Parteien haben sich auf eine alternative Berechnung einigen können, es sollte mindestens ein fiktives Einkommen von 1.000 EUR angenommen werden, im Gegenzug sollte der Wohnwert der Wohnung der Ehefrau nicht zugleich parallel zugerechnet werden. Sollte die Ehefrau über tatsächlich mehr Einkommen verfügen, dann sollte eine reale Berechnung erfolgen, bei der dann auch eine Wohnwertzurechnung der Wohnung der Ehefrau vorgenommen wird.
Hätte die Mediatorin den juristischen Input zur fiktiven Einkommenszurechnung gegeben, wäre möglicherweise die Neutralität gefährdet gewesen. Durch die Atmosphäre des Vertrauens in der anwaltlichen Beratung konnte die Ehefrau die juristische Einschätzung annehmen und akzeptieren. Erst danach war ein konstruktiver Umgang möglich.
Durch die anwaltliche Unterhaltsberechnung war der Ehemann inspiriert, ein eigenes "Unterhaltsprogramm" auf einer Exceltabelle zu fertigen. Die Ehefrau konnte die Tabelle annehmen und die Berechnung verstehen. Die Parteien haben gemeinsam an dieser Tabelle zwischen den einzelnen Sitzungen gearbeitet.
e) Thesen
aa) Für den Mediator
These 6:
Die anwaltliche Beratung kann unberechtigte Forderungen aufdecken, ohne dass der Mediator seine Neutralität gefährdet.
These 7:
Die anwaltliche Beratung kann Blockadehaltungen im Rahmen der Mediation auflösen.
bb) Für die Medianten
These 7:
Die anwaltliche Beratung zeigt auf, dass der Lösungsraum nicht auf eine Summe und eine Möglichkeit beschränkt ist.
These 8:
Die gute anwaltliche Beratung kann den Raum für konstruktive Lösungsarbeit öffnen.
3. Anwaltliche Beratung nach dem Verhandeln eines Vereinbarungskonzeptes in der Mediation
a) Ausgangssituation
Ehefrau 43 Jahre, Erzieherin
Ehemann 42 Jahre, Fahrzeugbauer, Angestellter im Außendienst
Kind: 12 Jahre weiblich
Kind aus erster Ehe der Ehefrau: 25 Jahre, weiblich
Die Eheleute lebten bereits seit längerem getrennt. Der Ehemann ist mit der gemeinsamen Tochter im Hausanwesen verblieben, das z.T. auch seinen Eltern gehört. Das Grundstück gehört zu ¼ jedem Ehepartner und zu ½ den Eltern des Ehemannes. Das Haus ist Wohnungseigentum. Eine Wohnung bewohnen die Eltern des Ehemannes. Die Wohnung der Eltern wurde auch teilweise von dem Ehepaar finanziert. Die Eltern waren nicht finanzstark. Die finanziellen "Flüsse" waren außerdem nicht mehr nachzuvollziehen.
b) Mediation
In der Mediation sollte für die verwickelten finanziellen Verstrickungen eine Lösung erarbeitet werden. Dazu haben die Parteien in der Mediation den Wert des Hausanwesens einvernehmlich regeln können. Die Einordnung eines vorehelichen Notarvertrages, der eine Zahlungsverpflichtung der Ehefrau und eine Rückübertragungsverpflichtung des Hausanteils bei Ehescheidung vorsah, hätte bei juristischer Betrachtung für den Ehemann ein kaum akzeptables Ergebnis bedeutet, da die Auszahlungsverpflichtung auf Seiten der Ehefrau zu einer Zugewinnsteigerung geführt hätte, die für den Ehemann nicht leistbar war. Da das Hausanwesen aber keiner Veräußerung zugeführt werden sollte, wurde von den Medianten die Auszahlungsverpflichtung nicht in das Endvermögen eingestellt, anders als dies eine juristische Lösung vorgesehen hätte. Auf dieser Basis wurde zunächst ein Vereinbarungskonzept erarbeitet.
c) Anwaltliche Beratung
Die Ehepartner hatten in ihren Fairnesskriterien die juristische Regelung als Gerechtigke...