a) Geliebtentestament, familienfeindliche Gesinnung und Pflichtteilsrecht
Der Lebensgefährte geht im Todesfall seines Partners von Gesetzes wegen leer aus. Er wird nicht Erbe. Er erhält nach überwiegender Ansicht nicht den Voraus und ist nicht pflichtteilsberechtigt. Dies gilt unabhängig davon, ob aus der Lebensgemeinschaft Kinder hervorgegangen sind, wie lange sie gedauert hat und ob ein Partner den anderen aufopfernd gepflegt hat. Die Notwendigkeit der Absicherung des Partners hat deshalb bereits frühzeitig praktische Bedeutung erlangt. Meist handelte es sich um die wesentlich jüngere Frau eines älteren verheirateten Mannes. Die frühere Rechtsprechung nahm in dieser Konstellation eine Hergabe für Hingabe an. Diese Rechtsprechung wurde nie völlig ad acta gelegt. Nunmehr soll nach der allgemeinen Lebenserfahrung bei einer langjährigen Beziehung keine Vermutung mehr dafür existieren, dass sexuelle Motive für die Zuwendung im Vordergrund stehen. Entscheidend soll neben der Frage, welche Beziehung den Erblasser mit der Bedachten verbunden hat, auch sein, aus welchem Grund und in welcher Weise sie bedacht worden ist, wer zugunsten der Bedachten zurückgesetzt worden ist, in welcher Beziehung der Erblasser zu den Zurückgesetzten stand und wie sich die Verfügung für diese Zurückgesetzten auswirkt. Dabei soll in der Regel die Zurücksetzung umso schwerer wiegen, je enger das familienrechtliche Verhältnis ist, in dem die Zurückgesetzten zu dem Erblasser stehen. Ferner soll erheblich sein, woher das der Bedachten zugewandte Vermögen stammt, wenn etwa der verwitwete Erblasser unter Zurücksetzung seiner erstehelichen Kinder seiner Geliebten das von seiner verstorbenen Frau vermachte Vermögen vererbt. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass auch das BVerfG die von ihm angenommene Verankerung des Pflichtteilsrechts im Grundgesetz, nämlich Art. 6 Abs. 1 GG, mit einem Verstoß gegen die Familiensolidarität begründet hat. Insofern dürfte das Argument der familienfeindlichen Gesinnung noch nicht vom Tisch sein. Allerdings neigen jüngere Gerichtsentscheidungen nicht mehr zur Bejahung der Sittenwidrigkeit einer Verfügung. Praktische Bedeutung haben nunmehr vor allem Fälle, in denen Ehemänner männliche Freunde bedachten, und zwar auch dann, wenn sich im Nachlass Schenkungen der Ehefrau befanden. Besonders eklatant war ein Fall des OLG Frankfurt, in dem der Ehemann seinen gleichgeschlechtlichen Partner in der Gewissheit, dass seine Ehefrau auf Grund einer Aidserkrankung vor ihm versterben würde, zum Schlusserben eingesetzt hatte. Mit der Ehefrau bestand ein gemeinschaftliches Testament mit gegenseitiger Erbeinsetzung. Die neuen Lebensformen führen nunmehr auch dazu, dass Testamente bei langjähriger Lebensgemeinschaft zugunsten einer Drittgeliebten oder eines Dritten errichtet werden. Sofern nicht das Pflichtteilsrecht und eventuell der Zugewinnausgleichsanspruch helfen, wird in der heutigen Zeit kaum noch ein Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden auszumachen sein.
Liegt allerdings ausnahmsweise eine Sittenwidrigkeit vor, ist zu beachten, dass maßgeblich für deren Beurteilung der Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung von Todes wegen ist und nicht derjenige des Erbfalls. War die Testamentserrichtung wirklich Belohnung der sexuellen Hingabe, so bleibt die damals errichtete Verfügung auch nach langjähriger Ehe mit der damit verbundenen Wandlung in ein platonisches Verhältnis nach h.M. unwirksam, falls nicht § 1 ProstG hilft.