1. Keine Lust (mehr) auf Pflicht
Die Welt-online meldete am 4. April 2010 unter der Überschrift "Die Deutschen verlieren die Lust am Heiraten": "Es steht nicht gut um die deutsche Ehe. Die Zahl der Scheidungen steigt stetig und wie eine neue Untersuchung zeigt, haben immer weniger junge Leute Lust, überhaupt erst zu heiraten. Besonders in großen Städten wird das Single-Dasein zur Norm. Bei den Beziehungen geht der Trend zum getrennten Zusammenleben … Immer weniger finden den Gedanken an eine Hochzeit reizvoll." Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung hat in einem Prognose-Modell berechnet, dass unter den Jüngeren jede dritte Frau und sogar knapp 40 Prozent der Männer niemals den Bund der Ehe eingehen werden. Während die traditionelle Ehe auf dem Rückzug ist, sind neue Lebensformen auf dem Vormarsch: Ein-Eltern-Familien, nichteheliche Lebensgemeinschaften und lockere Beziehungen, bei denen die Partner keine gemeinsame Wohnung haben. Daneben wird – besonders in den Metropolen – das Single-Dasein zur Norm. Allerdings berichtet die Welt-online weiter: Im scharfen Kontrast zum gesellschaftlichen Wandel steht indes das hohe Ansehen, das die Lebensform Ehe auch heute noch genießt. Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Allensbach zeigen diesen Zwiespalt. Zwar lebt nur noch gut jeder Zweite in einer Ehe. Dennoch widersprechen 70 % der Westdeutschen und auch zwei Drittel der Ostdeutschen der Aussage, dass diese Institution veraltet sei.
Personifiziert ist dieser Zwiespalt bereits beim Hl. Augustinus. Dieser lebte zunächst mit seiner nordafrikanischen Geliebten zusammen. Seine von missionarischem Eifer erfüllte Mutter, die heilig gesprochene Monika, erzwang jedoch die Trennung von seiner Lebensgefährtin, mit der er bereits ein Kind hatte, und verlobte ihn karrierebewusst mit einem Mädchen aus bester Gesellschaft, welches noch nicht im heiratsfähigen Alter war. Es kam nie zur Ehe. Der Kirchenvater schreibt in seinen „Bekenntnissen“ über die Zeit seiner Ausschweifungen: „In jenen Jahren lebte ich mit einem Weibe zusammen, mit dem ich nicht in so genannter gesetzmäßiger Ehe verbunden war, sondern das schweifende törichte Liebesglut mir aufgespürt hatte. Doch war es nur die Eine, und ich wahrte ihr die Treue. Hier sollte ich nun durch eigene Erfahrung lernen, welch ein Unterschied ist zwischen einem Ehebund, den man zum Zweck der Kindererzeugung schließt, und einer durch ungeregelte Liebesleidenschaft gestifteten Verbindung, wo auch wohl Kinder geboren werden, aber gegen Wunsch und Willen, mögen sie auch, wenn sie geboren sind, die Eltern zur Liebe zwingen.“ Soweit das „Vorleben“ des Augustinus, der als Kirchenvater das theologische Denken von der Ehe für Jahrhunderte prägte. Sie erfüllt nach seiner Ansicht im Wesentlichen zwei Zwecke: Sie dient der Zeugung und dadurch dem Hervorbringen von Nachkommenschaft (proles) sowie ferner als Heilmittel gegen die Begehrlichkeit und dadurch als Mittel zur Verwirklichung des so wichtigen Wertes der Treue (fides). Schließlich ermöglicht die Ehe die gegenseitige Hilfeleistung der Partner. Wie sehr Augustinus die Ehe als Pflicht ansah, ergibt sich auch daraus, dass er in dem mit (Fleisches-)Lust vollzogenen Beischlaf, wenn auch innerhalb der Ehe, eine (lässliche) Sünde sah. Allerdings wusste der Heilige, wovon er sprach: „Unterdes häuften sich meine Sünden, und weil nun die, mit der ich mein Lager zu teilen pflegte, da sie dem Heiratsplan im Wege stand, von meiner Seite weggerissen war, wurde meinem Herzen, das an ihr hing, ein harter Schlag versetzt. Es ward wund und blutete. Sie war nach Afrika zurückgekehrt und hatte dir gelobt, nie mehr von einem anderen Mann etwas wissen zu wollen. Zurückgelassen hatte sie den natürlichen Sohn, den sie mir geboren. Aber ich Unglücklicher folgte nicht dem Beispiel der Frau und ertrug den Aufschub nicht, da ich erst nach Ablauf von zwei Jahren die Braut heimführen sollte. Nicht so sehr ein Freund der Ehe als ein Sklave meiner Begierde, verschaffte ich mir eine Andere, aber keine Gattin. So sollte meine Seelenkrankheit unvermindert oder noch verschlimmert durch die knechtende Macht dauernder Gewöhnung hingehalten und ins Reich der Ehe hinübergeschleppt werden. Doch wollte die Wunde, die mir die Trennung von der früheren Geliebten geschlagen, nicht heilen, ward vielmehr, nachdem die Glut des ersten heftigsten Schmerzes überstanden war, brandig, schmerzte nicht mehr so heiß, aber umso hoffnungsloser.“