a) BGH
Hier kann zunächst auf die Ausführungen im Voraufsatz verwiesen werden. Die weiteren, unter II.1 dargestellten Entscheidungen des BGH machen deutlich, dass die bisherige Linie fortgesetzt worden ist.
Der BGH erteilt selbst weitgehenden Modifizierungen des früheren Altersphasenmodells eine Absage, wie sich zweifelsfrei aus der Entscheidung vom 15.6.2011 (s.o. unter II.1f)) ergibt. Der BGH verwirft dort die Ansicht des OLG, die einzelnen Altersphasen seien nur als Regelfall zu bewerten, innerhalb dessen die Umstände des Einzelfalles berücksichtigt werden könnten. Nach Auffassung des BGH werde bei dieser Ansicht zu Unrecht nicht vorrangig auf die individuellen Einzelumstände abgestellt, sondern – wie früher – überwiegend auf einen nur am Kindesalter orientierten Regelfall. Dies widerspreche der gesetzlichen Neuregelung.
Gerade diese Entscheidung hat heftigen Widerspruch in der Tagespresse, die eine deutliche Verschärfung der Obliegenheiten der kindesbetreuenden Mutter zu erkennen glaubt, erfahren.
b) Kritik
Die Ablehnung jeglichen Altersphasenmodells, auch in modifizierter Form, geht zu weit. Dies ist schon nach der Gesetzeslage nicht geboten, aber auch in der Sache nicht richtig.
aa) Im Gesetz wird das Wort "Einzelfall" nicht erwähnt. In der Begründung des Regierungsentwurfs wird eine reine Einzelfallbetrachtung keinesfalls gefordert; der Rechtsausschuss hat den Text insofern deutlich eingeschränkt, als kein abrupter, übergangsloser Wechsel von der Eigen- in die Fremdbetreuung zu fordern ist. Schon das schließt eine Modifizierung des Altersphasenmodells also nicht aus.
bb) Der BGH weist in seiner Entscheidung vom 30.3.2011 (s.o. unter II.1d)) darauf hin, der Gesetzgeber habe durch die Neuregelung des § 1570 BGB dem unterhaltsberechtigten Elternteil die Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsverlängerung über die "Basiszeit" von drei Jahren hinaus auferlegt. Verändert hat sich gegenüber dem Rechtszustand vor der Gesetzesreform aber insofern nichts, als der betreuende Elternteil auch damals schon die Darlegungs- und Beweislast für den Anspruch auf Betreuungsunterhalt hatte; ihm kam lediglich das frühere Altersphasenmodell mit dem nach Kindesalter gestaffelten "Raster" zu Gute in der Form, dass er nicht gesondert vortragen musste, wenn sich die ausgeübte Berufstätigkeit im Umfang mit der Einstufung im Modell deckte.
Damit widerspricht ein Altersphasenmodell nicht der gesetzlichen Regelung der Darlegungs- und Beweislast; vielmehr setzt es eine solche Regelung voraus. Die vom BGH geforderte und in der Entscheidung vom 15.6.2011 (s.o. unter II.1f)) nochmals besonders betonte Einzelfallbetrachtung wird schon dem Umstand nicht gerecht, dass Unterhalt ein "Massengeschäft" darstellt, in dem eine gewisse Schematisierung hilfreich ist. Unabhängig hiervon arbeitet auch der BGH in anderen Bereichen durchaus – und zwar ohne jegliche Bedenken – mit Schematisierungen, z.B. in Form der Tabellenbeträge beim Kindesunterhalt. Hier lehnt der BGH es ab, die Barunterhaltspflicht des Schuldners – einzelfallbezogen – in Fällen umfangreichen Aufenthaltes des Kindes bei ihm zu reduzieren, sofern der Aufenthalt bei weniger als 50 % liegt. Dort könnte man dem Einzelfall etwa in Form einer Herabstufung im Rahmen der Tabellenbeträge gerecht werden, ohne die Vorteile einer Pauschalierung zu verlieren. Warum sollte man dann nicht auch beim Betreuungsunterhalt – jedenfalls beim gesunden und altersentsprechend entwickelten Kind – von einem "Raster" ausgehen und etwaigen Abweichungen im Einzelfall Rechnung tragen? Immerhin war es der BGH selbst, der – nach der Gesetzesreform – von auf Erfahrungswerten basierenden Fallgruppen gesprochen hat.
cc) Schließlich bestehen auch in der Sache Bedenken gegen die generelle Ablehnung eines Altersphasenmodells:
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Psychologie und Sozialwissenschaften geben Empfehlungen zum Umfang der elterlichen Betreuung, bei der Altersstufen eine Rolle spielen. |
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Altersbezogen sind auch die einfachen Fertigkeiten des Kindes (z.B. Zähneputzen, Schuhe zubinden, selbst duschen), die sich mit zunehmendem Alter verändern. |
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Grundlagen zum Umfang der tatsächlichen Erwerbstätigkeit von kindesbetreuenden Eltern liegen vor. |
Zu diesen Punkten findet man nichts in den aktuellen Entscheidungen des BGH; erst recht fehlt eine Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass Kinder getrennt lebender oder gesch...