I. Einführung
1. Grundlagen
Zur geänderten Rechtslage – Regel-Ausnahme-Prinzip von Basisunterhalt für 3 Jahre (§ 1570 Abs. 1 BGB) und den Verlängerungsmöglichkeiten aus kindbezogenen Gründen (§ 1570 Abs. 1 S. 2 BGB) und aus Gründen der nachehelichen Solidarität (§ 1570 Abs. 2 BGB) – wird auf dem Beitrag aus dem Jahr 2009 verwiesen, hinsichtlich der anschließenden Entwicklung der Rechtsprechung auf den Beitrag aus dem Jahr 2010.
2. Unterhaltsrechtliche Leitlinien
Schon kurz nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung hatte die Mehrheit der Oberlandesgerichte dem Willen des Reformgesetzgebers Rechnung getragen und das bisherige "Altersphasenmodell" nicht mehr zur Auslegung der gesetzlichen Neureglung herangezogen mit der Folge, dass die meisten Leitlinien keine festen Vorgaben (mehr) enthielten; in Bezug auf die Änderungen der Leitlinien der Oberlandesgerichte Hamm, Dresden und Frankfurt a.M. wird auf die Darstellung im Voraufsatz verwiesen.
Zu weiteren aktuellen Veränderungen ist anzumerken, dass die Leitlinien der Oberlandesgerichte Hamm und Frankfurt a.M. gleich geblieben sind. Dagegen hatte das OLG Schleswig zum 1.1.2010 in seinen Leitlinien "gegen den Trend" eine Änderung dahin vorgenommen, dass der betreuende Elternteil nach Vollendung des dritten Lebensjahres des (jüngsten) Kindes bis zum Ablauf von dessen drittem Grundschuljahr grundsätzlich geringfügig bis halbschichtig, vom vierten Grundschuljahr bis zum Ablauf des siebten Schuljahres grundsätzlich halbschichtig und ab dem achten Schuljahr des Kindes jedenfalls zu 75 % bis vollschichtig erwerbstätig zu sein habe; dies ist inzwischen allerdings wieder korrigiert worden.
II. Aktuelle Rechtsprechung
1. BGH
Schon im Jahre 2010 konnte festgestellt werden, dass der BGH, beginnend mit dem Frühjahr 2009, allen Überlegungen in Richtung eines "modifizierten Altersphasenmodells" eine Absage erteilt hat; wegen der Einzelheiten wird auf den Voraufsatz verwiesen. Diese Linie hat sich weiter verfestigt; umso erstaunlicher mutet es von daher an, dass teilweise dennoch an einem Altersphasenmodell festgehalten wurde.
a) Urteil vom 17.3.2010 ("behinderter Volljähriger")
Seit der Trennung der Parteien lebte deren volljähriger Sohn bei der Kindesmutter; er ist schwerbehindert und bedarf ständiger Pflege. Wegen der Betreuung des Kindes erzielt die Kindesmutter kein Erwerbseinkommen. Der BGH stellt klar, dass sich der Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB nicht auf die Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen minderjährigen Kindes beschränkt, sondern allein darauf abstellt, ob eine persönliche Betreuung des gemeinschaftlichen Kindes aus kind- oder elternbezogenen Gründen erforderlich ist. Somit wird auch die Betreuung eines behinderten volljährigen Kindes erfasst. Auch insoweit ist im Rahmen der kindbezogenen Gründe immer zunächst der individuelle Umstand zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Kindesbetreuung auf andere Weise gesichert ist oder in einer für das volljährige Kind geeigneten Betreuungseinrichtung gesichert werden könnte. Im entschiedenen Fall bestand die Besonderheit, dass beide Eltern übereinstimmend die Notwendigkeit einer persönlichen Betreuung des Kindes bejahten, woran sie auch unterhaltsrechtlich dann festgehalten wurden in Form der Notwendigkeit der persönlichen Betreuung, deren Umfang bei der Bemessung der Erwerbspflicht des betreuenden Elternteils zu berücksichtigen ist.
b) Urteil vom 21.4.2010 ("Ärzte")
Aus der im Jahre 1990 geschlossenen Ehe der Parteien, beide von Beruf Ärzte, waren drei in den Jahren 1992, 1993 und 1997 geborene Kinder hervorgegangen. Nach der Trennung im Jahre 2004 wurde die Ehe im Jahre 2008 rechtskräftig geschieden; die Kinder blieben bei der Kindesmutter. Dieser wurde vom OLG ein zeitlich unbefristeter Anspruch auf Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt zuerkannt. Beide Parteien legten Revision ein; hauptsächlich wurde über die Erwerbsobliegenheit der Kindesmutter gestritten. Das OLG-Urteil wurde aufgehoben und zurückverwiesen; der BGH weist darauf hin, dass das OLG bei seinem Urteil die einschlägige BGH-Rechtsprechung noch nicht habe kennen können und deshalb noch weitere tatsächliche Feststellungen vonseiten des Tatrichters erforderlich seien. Die bisherige Rechtsprechung zur Aufgabe des früheren Altersphasenmodells wird vom BGH ausdrücklich bestätigt. Aus elternbezogenen Gründen könne sich der Anspruch auf Betreuungsunterhalt nu...