In der Justiz nehmen zunehmend Computerprogramme (sog. IT-Fachanwendungen) Einzug, die – neben reinen Schreib- und Bürofunktionen – auch Einfluss auf die inhaltliche Arbeit der Richter und Staatsanwälte nehmen. Die Einführung elektronischer Arbeitsmittel in der Justiz ist aus Sicht des Deutschen Richterbundes (DRB) grundsätzlich zu begrüßen, wenn sie die Arbeitsweise der Richter und Staatsanwälte funktionsgerecht unterstützen und dadurch die Effektivität der Aufgabenerledigung erhöhen. Die juristische Arbeit besteht zu einem wesentlichen Teil darin, Rechtssätze auf konkrete Lebenssachverhalte anzuwenden, d.h. zu subsumieren. Entscheidend ist hierbei in der praktischen Arbeit der Justiz, jeden zu beurteilenden Sachverhalt und insbesondere die beteiligten Personen individuell zu betrachten. Dies gilt für Richter und Staatsanwälte gleichermaßen.
IT-Fachanwendungen, die Richtern Textpassagen oder gar bestimmte Entscheidungen verbindlich vorgeben, verstoßen gegen die richterliche Unabhängigkeit, da der Richter nicht mehr in der Lage wäre, allein nach Recht und Gesetz zu entscheiden, sondern an inhaltliche Vorgaben des Computers gebunden wäre. Ein Katalog vorgegebener Textbausteine muss immer unvollständig bleiben und erschwert die Orientierung der Entscheidung am konkreten Fall. Dies gilt auch für die Arbeit der Staatsanwälte, die dem Legalitätsprinzip unterliegt. Zu Recht sehen sich daher viele Richter und Staatsanwälte in ihrem beruflichen Selbstverständnis verletzt, wenn sie auf das "Anklicken" bereits vorformulierter Texte reduziert werden sollen.
Im Rahmen der Sitzung des Bundesvorstandes des DRB erklärte der Vorsitzende Christoph Frank hierzu heute in Görlitz:
Zitat
"Viele Richter und Staatsanwälte arbeiten heute unter einem enormen Zeitdruck, bedingt durch stetig steigende Verfahrenszahlen und von den Haushaltsgesetzgebern zu verantwortende unzureichende Personalausstattung. In dieser Mangelsituation muss die juristische Arbeitsweise durch Computer unterstützt werden. Dies darf jedoch nicht zu Mehrarbeit führen. Vorgegebene Textbausteine eignen sich daher nur sehr bedingt für die Justiz, die immer den konkreten Einzelfall zu beurteilen hat. Richter und Staatsanwälte dürfen nicht auf die Rolle von Subsumtionsautomaten reduziert werden."
Pressemitteilung des Deutschen Richterbundes 12/11 vom 29.9.2011